Essen-Rüttenscheid. Das Berliner Start-Up-Unternehmen „Nebenan.de“ will Menschen im Viertel miteinander vernetzen. Allein in Rüttenscheid sind schon drei Quartiere aktiv.

  • Mit Hilfe des Online-Portals können interessierte Nachbarn die Großstadt-Anonymität aufbrechen
  • Allein in Rüttenscheid sind schon drei Quartiere mit jeweils rund 200 Nutzern aktiv
  • Berliner Start-up-Unternehmen ist aktuell in 30 Großstädten aktiv

Thomas Haver ist Kommunikationsberater und Ur-Rüttenscheider: Der 49-Jährige ist also bestens vernetzt und pflegt einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Seine direkten Nachbarn aus der Annastraße aber sind für ihn weitgehend Unbekannte. „Ich wohne jetzt seit elf Jahren hier und kenne erstaunlich wenige Menschen aus der Nachbarschaft“, sagt Haver, der diese großstädtische Anonymität nun mit weiteren Mitstreitern aufbrechen will. „Nebenan.de“ heißt die Online-Plattform, die dabei helfen soll.

Im vergangenen Jahr als Start-up in Berlin gegründet, ist das soziale Netzwerk mittlerweile in 30 deutschen Großstädten aktiv. Die Internetseite kann dabei nur von jenen genutzt werden, die in den jeweils in Quartiere aufgeteilten Nachbarschaften leben. Im Falle von Thomas Hanver heißt die Nachbarschaft „Witteringsfeld“ – ein Fantasiebegriff für den Kiez zwischen Rüttenscheider, Wittering-, Klara- und Gutenbergstraße.

Neben Haver gehörte auch Tom Oczadly zu den ersten, die sich in dem Nachbarschaftsportal angemeldet haben. Der 25-Jährige lebt an der Emilienstraße am Isenbergplatz. Seine Beweggründe ähneln denen von Thomas Haver: „Ich wohne jetzt seit einem Jahr im Südviertel. Und obwohl die Menschen hier alle freundlich sind und das Viertel super ist, kennt man die Leute von nebenan nicht. Das gleiche Phänomen habe ich beim Studieren aber auch in Köln und Hamburg erlebt, Großstadt eben“, sagt der Projektmanager.

Über Flyer im Briefkasten informiert

Über mit Passwort versehene Flyer im Briefkasten wurden die Nachbarn im Witteringsfeld vor zwei Wochen informiert – organisiert wurde die Verteilung von dem Unternehmen aus Berlin. Seither wächst die Gemeinschaft, haben sich mittlerweile 209 Menschen angemeldet: Damit ist das Witteringsfeld die bislang größte „Nebenan.de“-Community in Essen, weitere Gemeinschaften wie „Rüttenscheid-Nord“ mit 170 Nutzern sind ebenfalls seit kurzem aktiv.

Der Fantasiebegriff „Witteringsfeld“ steht für das Quartier, das sich auf Nebenan.de als eines von drei Vierteln allein in Rüttenscheid und dem angrenzenden Südviertel vernetzt hat.
Der Fantasiebegriff „Witteringsfeld“ steht für das Quartier, das sich auf Nebenan.de als eines von drei Vierteln allein in Rüttenscheid und dem angrenzenden Südviertel vernetzt hat. © Spliethoff

Neue Nachbarschaften vernetzen sich zurzeit auf der Margarethenhöhe, in Holsterhausen und Frohnhausen, für den Essener Norden werden noch Multiplikatoren gesucht. Denn nur, wenn sich mindestens sechs Nachbarn aus einem Umkreis angemeldet haben, wird das Netzwerk freigeschaltet, fungieren „Pioniere“ wie Thomas Haver und Tom Oczadly als Multiplikatoren und Ansprechpartner.

Kommerzielle Nutzerprofile sollen perspektivisch Geld kosten

„Nebenan.de“ funktioniert dabei wie ein Marktplatz. Von Studenten, die kurzfristig einen funktionsfähigen Staubsauger benötigen, über eine neue Nachbarin, die Interessierte zum gemeinsamen Radfahren sucht bis hin zur WG, die ab sofort Mitstreiter für ihre Spieleabende sucht, reichen die Einträge auf der Startseite. Vertreten ist dort auch das „Kabü“, das Café mit angeschlossenen Arbeitsplätzen an der Annastraße, das für gestern alle Nachbarn zum Public Viewing eingeladen hatte.

Perspektivisch, so „Nebenan.de“-Gründer Till Behnke, sollen solche kommerziellen Nutzerprofile Geld kosten, beispielsweise der Friseur oder das Bistro aus der Nachbarschaft dort werben können. Ein konkretes Geschäftsmodell gebe es aber noch nicht. Behnke, der auch die bundesweit größte Spendenplattform „Betterplace.org“ mitbegründete, möchte an erster Stelle Nachbarn vernetzen: „Unser Ziel ist es, mit dem Internet etwas Gutes in der Gesellschaft zu bewegen.“