Essen. Beim Thema Impfschutz setzt das Essener Gesundheitsamt auf Aufklärung. Einzelne Tagesmütter nehmen aber lieber nur geimpfte Kinder auf.
Dieser Tage schlug die Weltgesundheitsorganisation WHO Alarm: Impfgegner seien eine globale Bedrohung der Gesundheit. So hätten sich die Masern, die 2020 ausgerottet sein sollten, zuletzt wieder ausgebreitet, weil viele Eltern ihre Kinder nicht impfen ließen. Dabei ist die Krankheit hochansteckend und kann tödlich verlaufen. In Essen werben Gesundheitsamt und Kitas bei den Eltern für einen umfassenden Impfschutz. Einzelne Tagesmütter weigern sich sogar, ungeimpfte Kinder aufzunehmen.
„Ich habe mich entschieden, keine ungeimpften Kinder aufzunehmen“, sagt etwa Rebecca Eggeling, Sprecherin der Interessengemeinschaft (IG) Tagespflege. So gehe es auch anderen Tagesmüttern: „Wir haben Sorge, dass sich die betreuten Kinder oder die schwangeren Mütter anstecken, mit denen wir regelmäßig in Kontakt sind.“ Sie spreche damit nicht für alle rund 400 Mitglieder der IG. So gebe es auch Kolleginnen, die die Impfbereitschaft nicht als Kriterium für die Platzvergabe sehen und den Eltern die Entscheidung überließen.
Kinder ohne Impfung müssen zu Hause bleiben
Andere verlangten zumindest, „dass die Kinder geimpft werden sollen“. Denn ein vollständiger Impfschutz könne bei den meisten Kindern, die mit etwa einem Jahr in der Kindertagespflege starten, noch nicht bestehen. So gebe die erste Masern-Mumps-Röteln-Impfung erst um den ersten Geburtstag herum. Sinnvoll sei, vor Vertragsabschluss mit den Eltern zu klären, wie sie zum Thema Impfen und Krankheit stehen, sagt Eggeling.
Wenn ein Kind aufgenommen werde, gebe sie den Eltern eine Karteikarte mit, auf der der Kinderarzt den Impfstatus notiere, sagt Heike Christmann, die die katholische Kita St. Antonius Abbas in Schönebeck leitet. Das sei für sie eine wichtige Information: „Sollten mal die Masern ausbrechen, müsste ein ungeimpftes Kind zu Hause bleiben.“ Allerdings ist das in ihrer Kita sehr unwahrscheinlich: „Bei uns haben 64 von 65 Kindern den perfekten Impfstatus.“ Eine Familie habe sich auf die wichtigsten Impfungen beschränkt.
Einige Eltern lehnen bestimmte Impfungen ab
Sie glaube übrigens nicht, dass vor allem sozial schwache Familien das Impfen „vergäßen“, sagt Heike Christmann. Im Gegenteil: Impfmüdigkeit gebe es vielmehr bei Eltern, die sich gründlich mit möglichen Nebenwirkungen einzelner Impfungen auseinandersetzen. „Es gibt eine kleine Gruppe von Eltern, die Impfungen nicht etwa versäumen, sondern grundsätzlich ablehnen“, bestätigt Hiltrud Kleine-Eggebrecht, die den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst der Stadt leitet. Diese Entscheidung müsse man akzeptieren, „Es gibt in Deutschland keine Impfpflicht, daher können wir von den Eltern nicht verlangen, ihre Kinder impfen zu lassen.“
Die Leitungen von Kindertagesstätten müssten vor der Aufnahme eines Kindes allerdings überprüfen, ob es eine Impfberatung gegeben habe. Das lasse sich zum Beispiel aus dem Vorsorgeheft für die U-Untersuchungen ersehen. „Kein Kind muss dem Gesundheitsamt gemeldet werden, weil es nicht geimpft ist. Wenn eine Familie aber vor der Aufnahme des Kindes keine Impfberatung hatte, muss das von der Kita gemeldet werden.“
Gesundheitsamt tourt durch die Kitas und Schulen
Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst bereist jährlich alle Kitas und berät die Eltern. Erneut werden sie beraten, wenn ihre Kinder vor der Einschulung im Gesundheitsamt untersucht werden. Dann können auch die Eltern ihren Impfausweis mit bringen, wenn sie mögen. Und schließlich gibt es eine Impfberatung in den siebten Klassen. Die Aufklärungsarbeit hat offenbar Erfolg: Bei den Einschulungsuntersuchungen für das Schuljahr 2017/18 hatten laut Impfausweisen 98 Prozent der Kinder die erste Masern-Impfung, immerhin 92 Prozent auch die zweite, die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen wird. „Die Impfquote lag im Vorjahr auf einem ähnlich hohen Niveau“, sagt Hiltrud Kleine-Eggebrecht. Essen ist damit nah am Stiko-Ziel einer 95-prozentigen Durchimpfungsquote bei Masern.
Im Frühjahr 2017 gab es allerdings einen Masernausbruch in Essen: In kurzer Zeit steckten sich 61 Menschen an, die meisten mussten stationär behandelt werden, eine dreifache Mutter starb an der Krankheit. In dieser Zeit erlebten die niedergelassenen Ärzte einen spürbaren Anstieg der Impfungen. Geht es nach Hiltrud Kleine-Eggebrecht, sollte man nicht erst die nächste Epidemie abwarten: „Wir raten, alle Kinder nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zu impfen.“
>>> EINIGE KRANKHEITEN SIND MELDEPFLICHTIG
Kitas und Schulen müssen melden, wenn Krankheiten nach Paragraf 34 Infektionsschutzgesetz, wie z. B. Masern, Windpocken, Krätze, Kopfläuse , Hepatitis oder andere Erkrankungen auftreten.
Wenn es zum Ausbruch einer Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes kommt, ermittelt die Infektionsschutzabteilung des Gesundheitsamtes den Sachverhalt vor Ort. Ggf. werden Riegelungs-Impfungen durchgeführt. So wurden in der Rüttenscheider Sternschule 140 Kinder geimpft, als dort im Jahr 2014 Hepatitis A ausbrach.