Essen-Burgaltendorf. Charaktere der Erben und Bilanzen des Burgherren: Ein neues Buch macht mit Hilfe des Testaments von 1601 Burgaltendorfs Geschichte lebendig.
Wer wie Petra Meuwsen in Burgaltendorf aufgewachsen ist, der kommt an der Burg nicht vorbei. Keine neue Erkenntnis für die 53-Jährige, neu waren dann aber doch zahllose Dokumente, Urkunden und Landkarten, die sie in Archiven entdeckte und die vom Leben und Wirtschaften des früheren Burgherren erzählen. Diese Zufallsfunde haben die Wirtschaftswissenschaftlerin nun zur Autorin des Buches „Burg Altendorf 1601 – Burg und Besitz im Spiegel des Testaments von Arnold von Vittinghoff-Schell“ gemacht und die staubigen Seiten zum lebendigen Blick auf die Historie verwandelt.
Auf rund 300 Seiten folgen der Geschichte der Burg und des Dorfes vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit Kapitel zum Testament wie zu den Erbstreitigkeiten, dem Inventar der Burg samt Möbeln, Waffen und Textilien, aber auch zur Struktur von Haupt- wie Vorburg und die Erkenntnis: Arnold von Vittinghoff-Schell hätte mit seinem Geld besser umgehen können. „So hat er im Testament laufendes Einkommen mit Vermögen verwechselt und dadurch mit mehr gerechnet, um die Burg unterhalten zu können“, nennt Petra Meuwsen ein Beispiel.
Die Erben machten 1601 Inventur auf der Burg
Arnold von Vittinghoff-Schell habe in einem ausführlichen Testament die Burg und seinen Besitz zehn Erben mütterlicher und väterlicher Seite hinterlassen: „Im Oktober 1601 machten diese Erben Inventur, gingen in der Burg Altendorf von Gebäude zu Gebäude, von Raum zu Raum und listeten akribisch auf, was sie dort vorfanden“, erklärt Rolf Siepmann, Vorsitzender des Heimat- und Burgvereins, zu dem auch die Autorin zählt und der einer der Unterstützer des Sachbuches ist.
„Mit diesem Buch macht unser Wissen um unsere Burg und die damaligen Höfe um sie herum einen echten Quantensprung“, freut sich Siepmann über die zeitgemäße Art der Heimatforschung. Leser erfahren, welche Art von Dachspitze der Turm hatte, wie die Räume auf den Etagen aufgeteilt waren und welche anderen Gebäude es gab.
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Zum Inventar zählen Schafe, Reit- und Ackerpferde, Zinngeschirr und Kleidung
Mit den Einnahmen, Ausgaben, Vermögen sowie der Aufteilung des Erbes befasst sich das letzte Kapitel, in dem es etwa um offene Rechnungen, die Einnahmen und Ausgaben aus Gütern und den Wert der Erbschaft geht. In Tabellen ist nachzulesen, was Witwe Guda erhielt (darunter Einnahmen aus dem Haus Altendorf, Leinen, Leibwäsche und sechs Rinder) und wie hoch der Sachwert des Inventars geschätzt worden ist (Schafe, Reit- und Ackerpferde, Zinngeschirr und Kleidung). Dazu gibt es Bilder, alte Karten wie die der Bauerschaft Altendorf von 1823 und das Testament im Original abgedruckt und transkribiert.
Durch tausende Seiten hat sich die Burgaltendorferin in den Archiven in Münster, Düsseldorf und Essen gelesen, hat viele Schriftstücke abfotografiert, die Informationen und Erkenntnisse zu dem Gesamtwerk zusammengefasst. Als Co-Autor hat sie Stefan Leenen an ihrer Seite gehabt, der sich als Archäologe mit den Funden befasst hat.
Wer war habgierig und wer hat ausgleichend gewirkt
Stefan Leenen habe zudem die Inventarinformationen auch mit den archäologischen Funden der Burgaltendorfer „Buddel-AG“ abgeglichen und architektonische Details anderer Burgen und Herrenhäuser zum Vergleich herangezogen, erklärt Siepmann. „Dann hat er den Versuch gewagt, die in den Listen genannten Gebäude und Räume in einen möglichen Burgplan zu bringen, um das Aussehen unserer Burg Anfang des 17. Jahrhunderts zu veranschaulichen.“
Siepmann ist überzeugt, dass das Werk für Fachleute wie für Laien spannend sei, wenn sie sich für Regionalgeschichte interessierten. Sein Fazit: „Ein derart fundiertes, an Originaldokumenten arbeitendes Buch über unsere Burg und unser altes Dorf hat es seit Anbeginn der (Burg-)Altendorfer Heimatforschung noch nicht gegeben.“
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Dafür hat Petra Meuwsen nicht nur das Testament des letzten Bewohners der Burg aus der Familie Vittinghoff-Schell, die Bilanzen, Kapital- und Rentenverschreibungen unter die Lupe genommen, sie hat auch so manche Eigenschaft der Angehörigen erfahren: „Auf den tausenden Seiten habe ich erfahren, wer habgierig gewesen ist, wer ausgleichend gewirkt hat und welche Rolle die Witwe spielte, daher sind Charaktere vorstellbar und Geschichte ist lebendig geworden.“