Essen-Huttrop. Die Adolphi-Stiftung hat für 15 Millionen Euro aus der aufgegebenen Neuen Pauluskirche ein Ensemble für alte Menschen und Kinder geschaffen.

Mit ihrer hohen Bruchsteinfassade und nur ganz wenigen Fensteröffnungen war sie fast genau 50 Jahre lang eine Trutzburg für die evangelische Gemeinde in Huttrop an der Steeler Straße. Nun, nach rund eineinhalb Jahren Umbauzeit, beginnt für die Neue Pauluskirche das zweite Leben: 99 alte Menschen wohnen im Seniorenzentrum im Paulus-Quartier. Außerdem sind auf dem ehemaligen Gemeindegelände eine Seniorenwohnanlage und eine Tagesbetreuung für Kinder entstanden. 15 Millionen Euro lässt sich die Adolphi-Stiftung ihr neues Paulus-Quartier kosten.

„Am Ende war es nur wenig teurer, als wenn wir auf der grünen Wiese gebaut hätten. Dafür haben wir jetzt eine ganz außergewöhnliche Einrichtung“, sagt Dirk Gersie, Geschäftsführer der Adolphi-Stiftung. Er deutet auf das fein gestaltete und insgesamt 60 Quadratmeter große alte Kirchenfenster des Künstlers Gottfried von Stockhausen. Hier, in der zweiten Etage des Seniorenzentrums, leuchtet dem Besucher im Von-Stockhausen-Saal die sakrale Vergangenheit des Hauses quasi entgegen. „Wir sind froh, dass sich das Fenster so problemlos in die neue Nutzung integrieren ließ“, ergänzt Peter Lammsfuß, Architekt des Bochumer Büros „Zwo+ Architekten“.

Zwei neue Anbauten

Eine Menge Herzblut hat er in den vergangenen Jahren in das Objekt gesteckt. Gar nicht so einfach war die Aufgabe, das 2007 geschlossene Gebäude in die Zukunft zu führen, schließlich steht die Neue Pauluskirche unter Denkmalschutz. Für die Altstadtgemeinde war eine Sanierung zu teuer, nach der Aufgabe stand das Haus zunächst leer. Schließlich übernahm die Adolphi-Stiftung das komplette Gelände.

Drei Etagen ließ Architekt Lammsfuß in das Gebäude einziehen. Im historischen Glockenturm befinden sich jetzt die Turmzimmer und sogar die Glocke kann wieder läuten. Die alte Fassade aus Ruhrbruchstein durfte Lammsfuß aufschneiden und mit Fenstern versehen. Im Erdgeschoss kann man, mitten im ehemaligen Kirchenschiff mit Blick auf den Taufstein, im Paulus-Café Kuchen essen. Hinter der Fassade wurde ein Innenhof erbaut, in dem die Bewohner nun ihre Terrassen haben, die alten Betonwaben des Kirchraums wurden integriert. Zwei neue Anbauten erhöhen die Grundfläche, insgesamt sind acht Wohnbereiche auf vier Geschossen sowie eine Verwaltung dort untergebracht. Die 99 Zimmer sind bereits allesamt belegt, hier leben nun die ehemaligen Bewohner des Hauses „Abendfrieden“. Die Adolphi-Stiftung saniert bis 2018 ihre Häuser in Essen, der Standort an der Töpferstraße dient als Übergangshaus.

Festung an der Steeler Straße

Doch zum neuen Paulus-Quartier gehört mehr als nur das Herz- und Schmuckstück. Ab November sollen die ersten Bewohner in die 26 Seniorenwohnungen zwischen 44 und 75 Quadratmetern einziehen, für die die Stiftung einen Neubau errichtet hat. Abgerundet wird das Ensemble von der neuen und 250 Quadratmeter großen Kinderbetreuung im ehemaligen Pfarrhaus für Mitarbeiter der diakonischen Betriebe. Abgerissen wurden der Gemeindesaal, das Paulus-Jugendzentrum und ein Zweifamilienhaus. „Wir wollen uns auch für den Stadtteil öffnen“, lädt Dirk Gersie ein, das Café und den Von-Stockhausen-Saal zu nutzen.

Sie erinnerte mit ihrer gewaltigen Fassade mehr an eine bretonische Festung. Dennoch ist die, 1957 bis 1959 vom Architekten Dennis Boniver errichtete, Neue Pauluskirche ein gutes Beispiel für die Kirchenbaukunst der Nachkriegszeit. Bewusst wurde das Haus als Bollwerk konzipiert, eine Festung an der Steeler Straße. So war es geplant: die Kirche ganz nah an die Hauptverkehrsader zu stellen und zugleich dem gehetzten Großstädter eine Zuflucht zu geben. 2007 wurde die Kirche unter Denkmalschutz gestellt.

Geusenengel aus Trümmern gerettet

Gebaut wurde die Neue Pauluskirche von der Altstadtgemeinde. Die erste Pauluskirche stand in der Stadtmitte, am heutigen Haus der ev. Kirche. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Da die Wohnviertel der City weitgehend durch die Kriegsfolgen verschwunden waren und in diesem Bereich mit Kreuzes- und Marktkirche ein ausreichendes Angebot bestand, entschloss man sich, eine Nachfolgekirche im stark anwachsenden Wohngebiet der Altstadtgemeinde in Huttrop zu bauen.

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An die alte Pauluskirche erinnert heute der Geusenengel aus Metall, den der Überlieferung nach ein nicht namentlich genannter Pfarrer nach der Bombennacht aus den noch rauchenden Trümmern gerettet und aufbewahrt hatte. Nach Jahrzehnten auf dem Dach des Gemeindezentrums, wurde er auf das stilisierte Eingangsportal an der Steeler Straße gesetzt. 1976 schaute Deutschland auf die Neue Pauluskirche, als hier die Totenmesse für den verstorbenen Bundespräsidenten Gustav Heinemann abgehalten und er auf dem nahen Friedhof beigesetzt wurde.