Essen-Frohnhausen. . Zwei Studentinnen befragen Menschen im Frohnhauser Seniorenzentrum zu Ereignissen in ihrer Vergangenheit und zeichnen so Lebenslinien nach.

Barfuß durch das Gras laufen, einen Boxkampf mit Max Schmeling im Radio hören, mit Freunden umherstreunen: So erinnert sich Ursula Kügler an ihre Kindheit. Das ist für sie Heimat. „Ich weiß das noch wie heute, wie die Armbanduhr meiner Tante auf dem dunklen Marmortisch lag“, sagt die 89-Jährige. „Auf einmal war die Uhr in meiner Tasche.“ Das sei das Schlimmste gewesen, das ihr passieren konnte: die Uhr zu klauen. „Ich habe solche Prügel bekommen“, erzählt die Seniorin und legt die Hände ans Gesicht.

Lisa Gröschel und Maria Pappler nicken und schreiben mit. Die beiden Studentinnen von der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg reisen durch ganz Deutschland, um Senioren nach ihrem Heimatgefühl zu befragen. Das evangelische Seniorenzentrum an der Möserstraße in Frohnhausen ist ihr dritter Stopp. „Danach geht es unter anderem an die Nordsee, nach Berlin und Görlitz“, sagt Maria Pappler. Der Grund: Die beiden Frauen wollen herausfinden, ob Senioren im Altersheim eine neue Heimat finden können. „Es geht uns auch darum, alten Menschen Zeit und Gehör zu schenken“, meint Lisa Gröschel. Eine ältere Dame habe nach dem Interview gesagt: „Ich bin einiges Zeug los geworden, das tat gut“.

Etwa acht Senioren interviewen die Studentinnen pro Altersheim. Ein Gespräch dauert ein bis zwei Stunden. Nach einem allgemeinen Interviewteil legen die beiden Frauen ihr selbst entworfenes „Lebenslinien-Brett“ auf den Tisch. Mit bunten Klebepunkten markieren die Befragten, wie heimisch sie sich an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit gefühlt haben. Ein roter Wollfaden entlang der Punkte markiert ihre persönliche Lebenslinie. Später suchen die Senioren aus einem alten Lederkoffer Figuren, Karten und Plüschtiere aus, die sie mit ihrem Leben verbinden.

„Für meine Kindheit brauche ich noch ein Pferd. Und einen Stall“, sagt Ursula Kügler und kramt in dem Lederkoffer. Drei Spielfiguren symbolisieren ihre nächste Lebensstation: die Geburt ihrer Tochter Gabi. Am Ende des Interviews wählen die Senioren einen Spruch zum Thema Heimat. „Das Herausragende ist, dass sich alle, die wir bisher gefragt haben, im Seniorenheim zu Hause fühlen“, sagt Pappler. „Das hätten wir nicht erwartet.“ Die Ergebnisse fassen die Studentinnen in einer Studienarbeit zusammen. Auch ein Buch wollen sie schreiben – wenn genug Geld da ist. Etwa 1500 Euro fehlen noch, um ihr Projekt abzuschließen. „Spenden willkommen“, so Gröschel. „Das Buch ist als Dankeschön gedacht. Im Idealfall bekommt jeder Senior ein Buch.“

Lisa Gröschel und Maria Pappler studieren „Kultur- und Medienbildung“ in Ludwigsburg.

Ein Ziel des Projekts: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Heimatgefühl von Senioren in Deutschland herauszustellen. Kontakt unter: maria.pappler@gmail.com