Essen-Dellwig/Altenessen/Karnap. Nach mehreren Probefahrten wird der Rhein-Herne-Kanal im November 1914 für Binnenfrachter freigegeben. 7,8 Kilometer der künstlichen Wasserstraße. Längst ist der Kanal nicht nur eine der wichtigsten Wasserstraßen Deutschlands sondern auch beliebte Freizeit-Oase für seine Nachbarn.
Als Mitte April 1914 das erste Schiff mit einer Kommission den Rhein-Herne-Kanal testet, liegen die ersten Ideen für das Projekt bereits mehr als 40 Jahre zurück. Längst gehört der Kanal – davon 7,8 Kilometer im Essener Nordwesten mit Stadthafenanschluss – zu den wichtigsten künstlichen Wasserstraßen in Deutschland. Seine grünen Ufer sind für die Nachbarn auch beliebte Freizeit-Oasen.
Weil die Schiffe immer größer werden, hat der Kanal – wie ihn der Volksmund nennt – inzwischen eine breitere und tiefere Rinne bekommen. Wenn alle Modernisierungen vielleicht im nächsten Jahr abgeschlossen sind, „wäre der alte Rhein-Herne-Kanal praktisch von Grund auf erneuert“, heißt es dazu beim Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Meiderich.
Erste Pläne zum Ausbau hatte ein Ire
Zum 100-jährigen Bestehen des Rhein-Herne-Kanals hat Bruno Ferber für den aktuellen Kalender des Lesebuchkreises Altenessen einige Erinnerungen aufgeschrieben, die unter dem Monat Juli zu finden sind. „Als im Sommer 1989 die neue Großschleuse Henrichenburg in Betrieb genommen wurde, nahm neben dem modernen Schubverband ,Mathias Stinnes’ auch ein alter Dampfschlepper an der Eröffnungsfeier teil, der an seinem Heck in weißen Buchstaben den Heimathafen Herne zeigte und somit auch auf die Bedeutung dieser Stadt für die Kanalschifffahrt hinwies. Es war die 1909 gebaute ,Teniers’, die heute als fahrendes Museumsschiff zum Bestand des LWL-Museums (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) im Schiffshebewerk Henrichenburg gehört“, beschreibt Ferber.
„Pläne zum Ausbau der Emscher zu einem Schifffahrtsweg hatte bereits der Ire William Thomas Mulvany in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Düsseldorf vorgestellt. In Essen wurde dafür 1873 ein Emscherkanal-Komitee gegründet. Die Industrialisierung seit 1860 machte preisgünstigen Wassertransport von Massen- und Schwergütern immer wichtiger.
Verbindung der Reviers mit dem Rhein
1892 begannen schließlich die Arbeiten am Dortmund-Ems-Kanals (DEK), den Kaiser Wilhelm II. in Dortmund 1899 feierlich eröffnete. Ein Seitenkanal (Zweigkanal) des DEK wurde 1893 - 1896 von Henrichenburg bis Herne gebaut. Es folgten als östlicher Teil des Lippe-Seiten-Kanals der Dattel-Hamm-Kanal (1906-1914) und der Mittellandkanal (1906-1915)“, hat Bruno Ferber ermittelt.
„Erst spät wurde die Verbindung des Reviers mit dem Rhein in Angriff genommen, das entsprechende Gesetz wurde erst am 1. April 1905 verabschiedet.“ Fast genau ein Jahr später beginnen die Arbeiten an der neuen Wasserstraße durch den Norden des Ruhrgebietes. Bis zum 17. Juli 1914 verschlang das Großprojekt in mehr als acht Jahren rund 70 Millionen Reichsmark. Den Kanalbau leitete die ebenfalls 1906 gegründete „Königliche Kanalbaudirektion“ in Essen. „Zeitweilig wurden drei Bagger und 200 bis 250 Leute auf der Baustelle eingesetzt. Viele der Arbeiter kamen aus dem Ausland. Sie wohnten in einem eigens eingerichteten Kanalarbeiterquartier im Herner Norden.
Baukosten von rund 70 Millionen Reichsmark
„Der Kanal wurde auf einer Tiefe von 3,5 Metern ausgebaggert. Bei der Planung und Bauausführung wurden mit Bergsenkungen entstehende Probleme bereits berücksichtigt. Die Bergpolizeiverordnung vom 3. Juni 1909 schrieb vor, dass der Bergbau innerhalb einer Zone von 300 Metern – vom Mittelpunkt des Kanals aus gemessen – nur mit Bergversatz betrieben werden dürfte. Die beim Abbau entstehenden Hohlräume mussten also sofort wieder aufgefüllt werden“, beschreibt Bruno Ferber. „Trotzdem ließen sich Bergsenkungen in der Folgezeit nicht vermeiden. Sie betrugen an einigen Stellen bis zu zwölf Meter.“
Ab dem Sommer 1914 verband der Rhein-Herne-Kanal schließlich Herne mit Duisburg-Ruhrort. „Mit Hilfe von sieben Schleusen überwand der Kanal einen Höhenunterschied von 36 Metern. Die Baukosten waren mit rund 70 Millionen Reichsmark hoch, was nicht zuletzt daran lag, dass der Kanal mitten durch das Industriegebiet gebaut wurde, und die Grunderwerbskosten dementsprechend hoch waren“, sagt Ferber.
„Am 13. April 1914 befuhr eine Kommission mit einem Regierungsdampfer erstmals den neuen Kanal. Das Mittagsmahl nahmen die Mitfahrer im Herner Hotel Schmilz ein. Am 6. Juli 1914 schließlich führten die vier Schiffe ,Sleipner’, ,Thalia’, ,Helene’ und ,Vesalia’ eine erfolgreiche Probefahrt durch. Erst am 17. November 1914 wurde der Kanal für den Verkehr freigegeben.“
Nach mehreren Bergsenkungen fällt die Schleuse Dellwig 1980 wieder weg
„Die offizielle Eröffnung sollte dann am 16. Juli 1915 stattfinden. Wegen des ersten Weltkrieges wurde aber darauf verzichtet, die schon angereiste Kommission fuhr wieder ab“, steht im Kalender.
„Der Kanal war für Schiffe bis zu 1350 Tonnen ausgelegt. Sie hießen Rhein-Herne-Kanal-Schiffe, weil ihre Tragfähigkeit und Maße denen der ursprünglichen Schleusen entsprechen. Beim Kanalprofil und bei allen Bauwerken wurden Möglichkeiten zum Ausgleich von Bergsenkungen vorgesehen, wie sie später an vielen Stellen notwendig wurden.“ So in Dellwig, wo die Staustufe mit zwei Schleusen nahe des Hessebades in Folge der Wasserspiegelsenkung 1980 wegfiel. Eine Regulierung durch Bergsenkung also.
„Der Rhein-Herne-Kanal gehört zum Netz der Westdeutschen Kanäle Es dient der Schifffahrt, dem Ausgleich für Versickern, Verdunsten, der öffentlichen, landwirtschaftlichen und industriellen Versorgung mit Brauchwasser (Kühlwasser für Kraftwerke)“, beschreibt Ferber.
Das Essener Kanalstück macht etwa ein Sechstel der heutigen Gesamtlänge aus. Auf einen Kilometer Strecke erstreckt sich am Südufer der Stadthafen, 1934 von der Stadt eröffnet und seit 1987 von den Stadtwerken betrieben. Vom Hafen Mathias Stinnes am Nordufer ist nur noch die Kaimauer erhalten, an der heute Angler ihr Glück versuchen.