Essen-Karnap. . Vor 99 Jahren legten das erste Mal die Kohleschiffe am Stinnes-Hafen in Karnap an. Mittlerweile ist die Fläche ein Naherholungsgebiet und der Startpunkt der „Radler-Stadtroute“, die sich 18 Kilometer weit bis in den Essener Süden schlängelt.

Es war einmal ein Hafen – den niemand mehr kennt. Vor 99 Jahren legten das erste Mal die Kohleschiffe am Stinnes-Hafen in Karnap an. Mittlerweile ist auf der Fläche unterhalb der B224 nichts mehr davon zu sehen. Sie ist der Startpunkt der städtischen „Radler-Stadtroute“, die sich 18 Kilometer weit bis zum Baldeneysee schlängelt und gleichzeitig eine der vielen Nord-Geschichten unter dem Motto „Aus alt mach’ neu“.

Größte Wasserfläche am Kanal

Schon 1987 hätte Hermann-Josef Steins von Grün und Gruga den ehemaligen Hafen gerne aus seinem Dornröschenschlaf wachgeküsst, in den er seit seinem „Dienstende“ gefallen war. Das war 1973, die Zeche Mathias Stinnes hatte im vorangegangenen Jahr den Betrieb eingestellt. „Wir wollten damals gerne einen Damm ziehen zwischen der Einbuchtung des Hafenbeckens und dem Kanal und die Wasserfläche Modellbooten und Freizeitkapitänen zur Verfügung stellen“, erinnert sich Steins. Die Idee war gar nicht so weit hergeholt, schließlich ist das alte Hafenbecken mit seinen 12 000 Quadratmetern die größte Wasserfläche am Rhein-Herne-Kanal überhaupt.

Das klappte jedoch nicht, das nötige Geld fehlte. 23 Jahre sollte es dauern, bis der Regionalverband Ruhr (RVR) im Rahmen der Emscherkunst 2010 die Lücke des Kanalradwegs zwischen Gelsenkirchen und Oberhausen in Karnap schloss. Und dann gingen noch einmal zwei Jahre ins Land, bis sich auch die Stadt dem Drumherum annehmen konnte.

„Wir hatten hier ständig Müllprobleme“, berichtet Steins. Sein Arbeitgeber hatte das Programm „Neue Wege zum Wasser“ aufgelegt und was anderes sollte aus einer alten Schmuddelfläche am Kanal werden, als ein Naherholungsgebiet – zumal auch noch angebunden ans Radwegenetz. Die Stadt pachtete das zugewucherte Gelände von den heutigen Eigentümern EON und dem RVR und machte sich an die Arbeit. Direkt in Sichtweite des Müllheizkraftwerks – hier stand ehemals das Karnaper Kohlekraftwerk – gestaltete man alles neu. „Wir haben die Fläche gerodet, Autoreifen und alles Mögliche entsorgt, und Wiesen angelegt“, so Steins.

Ein paar Bänke laden heute zum Sitzen ein, der Blick in Richtung Gelsenkirchen ist Ruhrpott-Romantik pur. Und wiederentdeckt wurde die Fläche auch schon. Die SPD organisierte vor einigen Wochen hier ihr erstes Hafenfest – mit nicht erwartetem Erfolg. Im kommenden Jahr soll der 100. Geburtstag gefeiert werden, diesmal noch größer. Dann ist die Geschichte aus „Alt mach’ neu“ so richtig rund.

Für die Karnaper war der Stinneshafen Tabuzone. „Man durfte nicht rein und kam auch nicht so richtig ran“, erinnert sich der Karnaper Willi Kuhn (86). Von 1945 bis 1972 arbeitete er im Karnaper Bergwerk Mathias Stinnes.

Der Hafen mit seiner 360 Meter langen Kaimauer war alles andere als für die Öffentlichkeit vorgesehen. Hier wurden die Kohlen von den einzelnen Schachtanlagen auf der Schiene zum Hafen transportiert.

Heute kaum mehr zu glauben, bot er 30 Schiffen mit einer Wasserverdrängung von 600 bis 1200 Tonnen Platz. Zur Beladung konnten gleichzeitig fünf Schiffe hinter- und zwei nebeneinander anlegen. So befanden sich ständig zehn Schiffe in Ladung. Die Höchstleistung wurde mit enormen 100 000 Tonnen Kohle pro Monat gezählt (Stand 1926).

Willi Kuhn und seine Kollegen mussten sich woanders Abkühlung suchen. „Es gab kaum Zugänge zum Wasser“, berichtet er. In Karnap planschte man vor dem Krieg im „Schwimmbad“ am Kanal, ein paar Bretterhütten zum Umkleiden und ab ins Wasser, das war's. Nach dem Krieg war es dann damit vorbei. „Da sind wir direkt von der Zweigertbrücke in den Kanal gesprungen“, berichtet Kuhn. Die alte Hafenfläche erkennt er kaum wieder: „Es ist schon Wahnsinn, wie sich das hier verändert hat.“