Essen-Gerschede/Dellwig. . 500 Menschen füllten die St. Michael-Kirche in Dellwig am Montag bis auf den letzten Platz. Die Stadt informierte über das geplante Flüchtlingsdorf.

Rund 500 Bürger kamen am Montagabend zur turbulenten Versammlung zum Flüchtlingsdorf Gerschede/Levinstraße in die völlig überfüllte St. Michael-Kirche in Dellwig. Allem Weihnachtsschmuck zum Trotz, wollte von Seiten der Besucher lange Zeit keine Nächstenliebe aufkommen. Die Stimmung rund um das geplante Dorf nahe der Stadtteilgrenze Dellwig ist immens negativ. Das Positive: Einige couragierte Nachbarn protestierten dagegen vehement.

„Es wird uns hier etwas vorgegaukelt. Wenn das Dorf umgesetzt wird, wird es eine Menge Widerstand geben.“ Viel hat sich Sozialdezernent Peter Renzel bei seiner Info-Tour für verschiedene Flüchtlingseinrichtungen in den vergangenen Monaten in ganz Essen anhören müssen. Doch eine Drohung, wie jetzt bei seiner insgesamt 32. Bürgerversammlung, die wird nicht so oft dabei gewesen sein. Widerstand vor Ort gegen Flüchtlingseinrichtungen sind keine Seltenheit, doch die geballte Abwehr in Dellwig/Gerschede ließ schon mehr als aufhorchen.

„Wo bleibt unsere Sicherheit?“

Ins Feld geführt wurde, was sich eignete. Die Angstschürer zogen viele Register: „Wo bleibt unsere Sicherheit?“ „In solchen Ghettos wird es Aggression geben, die dann im Umfeld ausgelebt wird.“ „Unsere alten Mieter haben Angst, abends vor die Türe zu gehen – unsere jungen, die Kinder draußen spielen zu lassen.“ Aus der Nachbarschaft des Karnaper Flüchtlingsdorfes im Mathias-Stinnes-Stadion war eine Info-Touristin angereist: „Bei uns klettern die nach 22 Uhr über die Zäune.“

Auch die eher technisch kühlen Kritiker waren anwesend: „Es hätte bessere Plätze in der Umgebung gegeben.“ „Die Zufahrtsstraße eignet sich nicht.“ „Die Wiese brauchen wir für unsere Kinder/Hunde.“ Und einer, der ließ dann auch tatsächlich einmal tiefer blicken: „Wir haben im Essener Norden schon genug Bürger mit Migrationshintergrund.“

Das war schon starker Stoff, der in der weihnachtlich geschmückten Kirche nicht unbeantwortet blieb. Allerdings dauerte es rund 40 Minuten, bis sich die erste Vertreterin der schweigenden Minderheit – oder hoffentlich Mehrheit – mit zitternder Stimme zu Wort meldete: „Wir stehen hier in einer Kirche in der Vorweihnachtszeit und ich bekomme weiche Knie. Wir sollten hier überlegen, wie wir den Flüchtlingen helfen können“, sagt sie – und wurde noch von einigen niedergerufen.

Scharfe Kritik an Redebeiträgen

Die Versammlung zu kippen war einer jungen Dame rund zehn Minuten später vorbehalten: „Meine schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden. Es ist unglaublich, mit wie viel Hass man diesen Menschen hier begegnet,“ zeigte sie Mut und bekam dafür auch donnernden Applaus. Als wäre der Bann gebrochen, meldeten sich weitere: „Ihr wisst gar nicht, wie das ist, ein Flüchtling zu sein. Wir standen in den Trümmern, Euch geht es gut – und ihr habt noch Angst“, rief eine ältere Dame. Eine andere Besucherin war fassungslos: „Ich wohne hier seit 35 Jahren und frage mich, von was für einem Dellwig geredet wird und ob hier nicht viele Wütende gar nicht aus dem Stadtteil kommen.“

Dass auch Positives hier passieren kann, zeigen die – zwar nicht zahlreichen – aber immerhin rund 50 Interessenten des Abends für die Bildung eines Runden Tisches. Weitere hatten schon vorher ihre Hilfe angeboten. Unter anderem die katholische und die evangelische Gemeinde in Dellwig werden dabei sein. Die Organisatoren kündigen an, voraussichtlich ab Februar über weitere Schritte zu informieren.