Essen. Die Ausstellung „Zur Nachahmung empfohlen“ auf Zollverein variiert das Mode-Thema Nachhaltigkeit - mit Installationen, die mal provokant und bitterböse, mal einfühlsam und verblüffend daherkommen.

Sao Paulo hat es gesehen und zuletzt Mexico-City, jetzt macht das mehrfach ausgezeichnete Ausstellungsprojekt „Zur Nachahmung empfohlen! Expeditionen in Ästhetik und Nachhaltigkeit“ – kurz „ZNE!“ – auf Zollverein Station. In den Hallen 6 und 8 taucht der Besucher ein in eine mal anregende, mal verstörende Welt, in der die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft, Spektakel und Tüftelei verschwimmen. Nachhaltigkeit ist der rote Faden der Ausstellung: die Umwelt und ihre Ressourcen schonen, recyclen statt zumüllen, kurz: unseren Erdball sauberer, gesünder, schöner und besser zu machen.

Kuratorin Adrienne Göhler, die frühere Berliner Kultursenatorin, schwingt sich auf ein Fahrrad und erzeugt beim Trampeln soviel Energie, dass davon eine Waschmaschine angeworfen werden kann. Das „Exponat“ ist das Werk von Christian Kuhtz, der es aus Teilen zusammengesetzt hat, die normalerweise auf Recyclinghöfen zu finden sind.

Altes „Schwerter-zu-Pflugscharen“-Thema

Die Schaufeln des Mexikaners Pedro Reyes variieren das alte „Schwerter-zu-Pflugscharen“-Thema, denn der Künstler hat dafür 1527 Gewehre recycelt. Eine nette Geste nach dem verheerenden Pfingstorkan in Essen: Mit Reyes’ Schaufeln werden anlässlich der Finissage zwölf Bäume auf dem weiten Zollverein-Areal gepflanzt.

Eine einfühlsame, ja zärtliche Skulptur ist dem Amerikaner Clement Price-Thomas gelungen. „The Guide“ von 2009 ist nichts anderes als ein lose zusammengefegter Haufen rötlich-braunen Herbstlaubs, der sich allerdings ständig hebt und senkt – mit derselben wohligen Frequenz wie der Bauch eines gesunden, ein- und ausatmenden Menschen: ein organischer Appell, das Leben zu bejahen und die zerbrechliche Schöpfung zu schützen.

Taktlosigkeit im Militäreinsatz

Ein amerikanisches Thema greift die Installation „Civilian Defense II“ von Dan Peterman auf. In gut zwei Dutzend blütenweiße, leinene Matrosenhosen des US-Militärs hat er eine verstörende Botschaft hineingelegt. Mais und Bohnen und Linsen in die verstümmelten, unterschenkelamputierten Beinkleider zu pressen, geißelt die Taktlosigkeit des „Weltpolizisten“, der in Irak und Afghanistan Aufständische und Zivilisten bombardiert, um gleich danach Lebensmittel über sie abzuwerfen. Eine Praxis, die von den „Beworfenen“ als zynisch empfunden werden mag, weil Bombe wie Lebensmittel in verblüffend identisches, schwarzbeschriftetes Gelb gehüllt sind. „Food Waste“ („Lebensmittel-Verschwendung“) heißt der Beitrag von Emine Ercihan, einer in Dortmund lebenden Künstlerin. Mal designt sie Räume, Tische, Vasen, Stühle und Tische, die sich beim zweiten Hinsehen als Gurken-, dann als Toastbrotscheiben erweisen. Ein Abendkleid aus riesigen Salatblättern treibt diese Absurdität auf die Spitze.

„Nachhaltigkeit kann man in dieser Ausstellung begreifen, sehen, hören, fühlen. Nicht verkopft, sondern zum Mitmachen“, sagt Jolanta Nölle vom Vorstand Stiftung Zollverein. Denkanstöße geben, Selbstverständliches hinterfragen – darum geht es ständig. Neben Halle 6 haben sie einen mächtigen Kubus aus Braunkohlenbriketts gesetzt, der den westlichen Lebensstil fein hinterfragt. Denn wenn eine Million Menschen den Blockbuster „Avatar“ herunterladen, wird dieselbe Menge Kohlendioxid freigesetzt wie beim Verbrennen dieses fossilen Neun-Kubikmeter-Haufens.