Essen. Kostümdirektor Ulrich Lott hält die Balance zwischen künstlerischenIdeen, finanziellen Mitteln und persönlichen Freiräumen. Pro Spielzeit entstehen fast 3000 Kleidungsstücke unter seiner Leitung.

Um ihn herum lagern Stoffe ohne Ende. Wolle, Webpelz, Seide, Samt, Spitze, Leinen, Baumwolle als Muster in Ordnern feinsäuberlich aneinandergereiht, warten auf ihre Bestellung, Verarbeitung und irgendwann vielleicht den großen Auftritt auf der Bühne.

Ulrich Lott hat all das in der Hand. Seit 14 Jahren ist er Kostümdirektor, seit 24 Jahren dem Aalto-Theater verbunden. Von Anfang an war er von dem Haus und seiner Atmosphäre fasziniert: „Es herrscht der Gedanke, allem Neuen gegenüber aufgeschlossen zu sein. Diese Offenheit ist der Geist des Essener Theatermachens, den es nicht überall gibt. In der Kostümabteilung wird er besonders zelebriert“, weiß Lott.

Von der Herrenschneiderei zum Theater

In Achern im Schwarzwald geboren, am Theater Freiburg als Schneider und in Hamburg als Gewandmeister ausgebildet, leitete er zunächst die Herrenschneiderei. Da wusste er bereits, dass es anderswo eher darum ging, sich gut zu verkaufen als um Inhalte und Werte. Die aber sind ihm wichtig. Er achtet auf seine Mitarbeiter wie auf die Darsteller. „Nur wenn sie sich entfalten können, nützen sie etwas.“ Die einen bei der Fertigung, die anderen in ihren Kostümen. „Manche können ein Korsett als Unterstützung beim Singen vertragen, andere brauchen dabei mehr Bewegungsfreiheit“, erklärt der 51-Jährige. Seinen 65 Kollegen in der Schneiderei und den 25 in der Maske ermöglicht er bei der Arbeit viel Flexibilität und fordert ebenso viel Eigenständigkeit. „Die Zeiten, als der Chef ansagte und die Mitarbeiter führten aus, sind vorbei.“

Zwischen Wagners „Meistersingern“ und Verdis „Räubern“ hat sich einiges verändert. Mit acht Leuten weniger muss die Kostümabteilung, die Aalto- und Grillo-Theater versorgt, auskommen. Die Mittel sind geschrumpft. „Die Leerstellen müssen mit Ideen und Kostümen aus dem Fundus aufgefüllt werden“, betont Ulrich Lott. Dennoch entstehen Tausende von Kleidungsstücken pro Spielzeit: „Wir kaufen im Jahr 3000 Bügel und die wenigsten davon gehen kaputt. Eine große Produktion braucht schon 200 bis 300 Kostüme.“

Ausbessern und erneuern

Bei Produktionen, die teilweise 15 Jahre und länger zu sehen sind, muss ausgebessert werden, was das Zeug nicht mehr hält. „Das Ballett ,Der grüne Tisch’ war immer wieder ein Thema für uns“, so Ulrich Lott. Auch die Watton-Gewänder aus dem „Freischütz“, die den Chor wie Deix-Figuren erscheinen ließen, mussten nach und nach erneuert werden. Irgendwann macht jedes Material schlapp. Bei „Aida“ oder „Frau ohne Schatten“ war es das Elastan in den Stoffen.

Mit Kostümbildnern wie Alfred Mayerhofer („Tristan und Isolde“), Renate Schmitzer („Walküre“) oder Johannes Leiacker („Carmen“) arbeitet er gerne zusammen, „weil sie ein tolles Gefühl für Menschen und ihre Möglichkeiten haben“. Ulrich Lott hat das auf seine Art auch. Bei allem Wissen um Materialien, bei aller handwerklichen Erfahrung und Fähigkeit zur Einschätzung der Kosten steht der Mensch für den von der Zen-Meditation geprägten Kostümdirektor im Mittelpunkt: „Ohne Liebe wäre gar nichts zu machen.“