Bei einer Sonderführung durchs Aalto-Haus bekamen WAZ-Leser Einblick in den Backstage-Bereich und staunten über Architektur und containergroße Aufzüge. Hier werden auch schon mal vierspännige Kutschen transportiert.
Vor der Kunst sind alle gleich, hat Alvar Aalto mal gesagt. Und deshalb sind sie an diesem Samstagnachmittag auch alle gekommen, vom Vorschulkind bis zur Rentnerin, um die Baukunst des finnischen Architekten zu bewundern, die in Essen Heimat ist für große Opern-Kunst.
Vor der Tür erklärt Führerin Katharina Thienel erst mal, wie Finnen so ticken, wenn sie ein Opernhaus entwerfen Die wählen das menschliche Maß, um Schwellenängste abzubauen. Also keine pompösen Treppenaufgänge, keine Säulen, und die Eingangspforte hat fast Haustürformat. Der Eingangsbereich ist auch nicht gerade großzügig – wie beabsichtigt. Die Leute sollen schnell dorthin, wo das Licht durch die Fenster fällt, die wie riesige Klaviertasten aussehen. In die große Halle, wo Aalto mit dem zentralen Aufgang gewissermaßen auch eine Bühne fürs Publikum gebaut hat, erklärt Thienel. Sehen und gesehen werden gehört zum Opernbesuch eben dazu.
Das Aalto ist ein Gesamtkunstwerk
Der achtjährige Luc hat im Foyer bereits die Form gefunden, die ihn durchs ganze Haus begleiten wird: „Das sieht ja aus wie eine Welle.“ Wellen gibt es hier überall, an den geschwungenen Garderoben, der Besucherbalustrade, selbst der Orchestergraben hat eine schwungvolle Mundform. Das Aalto ist ein Gesamtkunstkunstwerk, von den mit Rosshaar bespannten Türen, über die Marmor-Tischchen, die lederbezogenen Sessel und designten Laternen im Stadtgarten -- alles original Aalto-Design und nach 25 Jahren immer noch zeitlos schön.
Auch wenn ein Stararchitekt wie Aalto nicht alle Kleinigkeiten bedacht hat. Wie man Glühbirnen wechselt zum Beispiel, denn da helfen im Aalto weder Leiter noch Hebebühne weiter. Die Haustechniker haben sich dafür 15 Meter lange Teleskopstangen gebastelt.
„Man ahnt ja gar nicht, wie groß die Bühne ist“
Im Bühnenraum bekommen die WAZ-Leser dann eine ganz exklusive Vorstellung. Beim Einleuchten der letzten „Räuber“-Vorstellung erleben sie, was alles passiert muss, bevor der erste Ton erklingt. Für „Super“-Mario, der sich im Fluggeschirr gerade vom Schnürboden abseilt, gibt’s noch einen Sonderapplaus. Dann geht’s dorthin, wo sonst nur Künstler und Bühnenarbeiter Zugang haben, hinter den Eisernen Vorhang. „Das stellt man sich im Zuschauerraum gar nicht vor, wie groß die Bühne ist“, staunt Hartmut Ristow. „Die fünftgrößte Europas“, erklärt Katharina Thienel und gibt noch einen Ratschlag: „Fassen Sie nichts an, was Ihnen massiv erscheint. Das ist es nicht.“
Kein Wunder, schließlich müssen in einem Repertoire-Betrieb wie dem Aalto täglich riesige Kulissen-Bilder beweg werden, heute „Die Räuber“, morgen „Frau ohne Schatten“. Um das alles zu bewerkstelligen, braucht es eine eingespielte Mannschaft einen riesigen Aufzug, der nicht nur Aalto-Stammgästen wie Volker und Anneliese Roland imponiert. 22.000 Kilo kann der bewegen, vierspännige Kutschen und ganze Kulissen-Container werden so transportiert .
Perücken werden handgeknüpft
Die 30-köpfige Gruppe bringt der Lift in Sekundenschnelle in die obere Etage, wo Schlosserei, Schneiderei und Maske auf die Besucher warten. Greta Reinecke freut sich über den Blick in den Backstage-Bereich. „Diese ganzen Räume hätte man nie vermutet.“ In der Schneiderei wird schon Maß genommen für die neue Spielzeit, selbst die Perücken werden handgeknüpft, Bernhard Großbröhmer nimmt nicht nur diese Erkenntnis mit nach Hause: „Jetzt versteht man auch, wofür das ganze Geld gebraucht wird.“