Essen-Kettwig. . Marc Real liebt Dialekte. Und besonders das Bergisch Platt, das auch in seiner Heimat Kettwig gesprochen wurde. Er möchte erinnern und erhalten.

Marc Real hat ein Hobby. Der Kettwiger kümmert sich um die Erforschung des Bergisch Platt. Diese Mundart wurde noch vor wenigen Jahrzehnten verstärkt an Ruhr, Rhein und Wupper gesprochen. Doch sie gerät mehr und mehr in Vergessenheit. Deshalb lautet seine ungewöhnliche Mission: Verjätent uss Platt nit - vergesst unser Platt nicht.

Ein Bericht in dieser Zeitung hatte ihm den Anstoß gegeben. Darin ging es um das kleine Wörtchen Nau. Der früher übliche Kettwiger Gruß wird heute nur noch selten gebraucht. Und das findet der 20-jährige Jura-Student „ziemlich schade“. In seiner eigenen Familie ist der Dialekt-Wirrwarr groß. „Und die Unterschiede haben mich schon als Kind interessiert. Viele Verwandte stammen aus dem Bergischen Land, aber es gibt auch Einflüsse aus Masuren, aus dem Schwarzwald. Und all diese Mundarten haben Spuren hinterlassen.“

Für jeden Ort gab es ein eigenes Vokabular

In Borbeck ist Marc Real geboren und 2006 mit seiner Familie nach Kettwig gezogen. Einen ganz engen Bezug hat er auch zu Werden, zum Waddisch Platt. „Real ist eine ‘aule waddische’ Familie von der Forstmannstraße. Sie hatte auch Gaststätten in Werden. Und ich habe Familiendokumente, die 150 Jahre zurückreichen.“

Als Globalisierung noch ein Fremdwort war, konnte man selbst die Sprache des Nachbarn, der nur wenige Kilometer entfernt im nächsten Dorf lebte, nicht verstehen. „Für jeden Ort gab es ein eigenes Vokabular. Und dem Platt haftete damals ein bäuerliches und rückständiges Image an. Hochdeutsch war die Sprache der Bildung, der Literatur.“

Internetseite zum Bergisch Platt ist seit 2018 online

Marc Real hat die Ergebnisse seiner Forschungen zum Bergisch Platt auf einer Internetseite zusammengefasst, die seit Dezember 2018 online ist. „Ich veröffentliche da natürlich keine wissenschaftlichen Abhandlungen, ich bin ja auch kein Linguist. Aber es ist einfach spannend, sich damit zu beschäftigen. Gerade in Kettwig treffen mehrere Sprachgrenzen aufeinander. Und ich will das alles festhalten. Bald werden diese Mundarten kollektiv verschwunden sein. Wenn ich das jetzt nicht mache... In 20 Jahren habe ich dazu keine Chance mehr. Und es gab bislang auch keine Internetseite, die sich mit dem Thema Bergisch Platt beschäftigt.“

Im Moment findet Marc Real in den verschiedenen Heimatvereinen, mit denen er in engem Kontakt steht, immer noch Ansprechpartner, die „entweder noch Platt sprechen können oder mich mit Quellen versorgen, mir Gedichte und Geschichten mitgeben, die in Platt erzählt und aufgeschrieben wurden“. So hat er Günter Voss von den Kettwiger Museums- und Geschichtsfreunden besucht und sich mit Franz Firla unterhalten, erklärter Experte zum Thema Mölmsch (Mülheimer) Platt.

Mit dem geschriebenen Platt sei das so eine Sache. „Platt ist keine Schriftsprache, sondern eine Umgangssprache. Da variieren die Schreibweisen schon deutlich.“

Die Geschichte vom volltrunkenen Mühlenbauern

Die Anekdoten, die er gesammelt und auf seiner Homepage veröffentlicht hat, haben viel Charme. Oftmals sind es Alltagsgeschichten, die zu einer Zeitreise einladen – und damit sie auch richtig verstanden werden, hat Marc Real immer die hochdeutsche Übersetzung angefügt.

Aus Kettwig stammt eine Geschichte über den Kettwiger Turnverein, die sich nach der Jahrhundertwende um 1900 zugetragen hat. Im Mittelpunkt steht die Stadthalle „Zum Luftigen“, heute Am Bögelsknappen 1. Auch das Gedicht über den Kettwiger Gruß „Nau“ kann man nachlesen. Kasse Spass verdrägen? Kannst du Spaß vertragen? Aus Werden stammt die Geschichte vom volltrunkenen Mühlenbauern auf seinem Weg nach Hause.

Für Marc Real ist die Rettung des Bergisch Platt ein „umfangreiches Freizeitprojekt. Aber ich muss dran bleiben. Noch ein, zwei Generationen, dann ist es komplett verschwunden“.

>> BERGISCH PLATT UND BERGISCHER LÖWE

  • Wer einmal stöbern möchte: Die Internetseite von Marc Real findet man unter bergischplatt.de. Kontakt per E-Mail: real@bergischplatt.de
  • Dort erfährt man auch, wie das Bergisch Platt zu seinem Namen kam: Das Wappenzeichen des Herzogtums Berg ist der Bergische Löwe. Als Zeichen für die Region, die sich bis heute ihre Namensgebung nach dem 1813 untergegangenen Staat bewahrt hat, steht er hier auch für die Sprache der Menschen, die sie bewohnen.
  • Marc Real beschäftigt sich in seinen Forschungen u.a. mit Mundarten aus Kettwig und Kettwig vor der Brücke, Werden, Mülheim-Saarn, Velbert, Neviges, Ratingen und Düsseldorf.