Essen-Kettwig. . Ein „Kirchenkreis-Gottesdienst“ in der Kirche am Markt hat den ungewöhnlichen Wechsel der evangelischen Gemeinde von Mülheim nach Essen besiegelt.

Bald zehn Jahre lang haben die Kettwiger Protestanten für den Wechsel von Mülheim nach Essen gerungen. Mit dem „Kirchenkreis-Gottesdienst“ am Sonntag in der Kirche am Markt ist dieser Schritt offiziell besiegelt worden. Es ist eine Zäsur. Denn dass eine Gemeinde den Kirchenkreis wechselt, gilt in der Landeskirche Rheinland als ziemlich ungewöhnlich, wenn nicht sogar einzigartig.

Die reinen Fakten: Seit Anfang dieses Jahres gehören die gut 6200 Gemeindeglieder aus Kettwig zum Kirchenkreis Essen, der dadurch auf 146.000 Gläubige anwächst. In den nunmehr 28 Gemeinden des Kirchenkreises Mülheim verbleiben rund 47.700 Protestanten. Von einigen wenigen Straßenzügen abgesehen sind die Grenzen des Kirchenkreises Essen jetzt identisch mit denen der Stadt.

Silke Althaus, seit 2004 Pfarrerin in Kettwig, gehört mit zu jenen, die den Kirchenkreis-Wechsel angestoßen und in den letzten sechs Jahren maßgeblich forciert haben. Der gut besuchte Gottesdienst, an dem auch auffällig viele Essener teilnahmen, sollte bewusst ein Zeichen setzen. „Der Wechsel ist kein bloßer Verwaltungsakt, sondern für die ganze Gemeinde erlebbar“, sagt die Pfarrerin und fügt hinzu: „Wir schauen nach vorn, es fängt etwas Neues an.“

Kirchenkreis Essen verzichtet zunächst auf die Einnahmen

Vorbei sind die Zeiten, als die Kettwiger Protestanten auf zwei Hochzeiten tanzen mussten. Vorbei die Zeiten umständlicher Parallelstrukturen und doppelter Wege – etwa zum Mülheimer Kirchenkreis zu gehören und mit dem Jugendamt der Stadt Essen auf dem wichtigen Sektor Kindergärten zusammenarbeiten zu müssen. „Der Impuls zum Kirchenkreis-Wechsel ist deshalb von uns ausgegangen, wir haben es durchfechten müssen“, betont Pfarrerin Althaus. Noch vor zwanzig Jahren seien die Kirchenkreise weit entfernt gewesen vom Leben der Gemeinden, die oft kleinen Königreichen glichen. „Längst haben die Gemeinde entdeckt, dass sie in großen Einheiten stärker sind.“

Die Frage, wo Kettwig sinnvoll zu verorten sei, beantwortete die Gemeinde mit: Essen. „Essen ist ein lebendiger Kirchenkreis, einer, der in Bewegung ist“, sagt Silke Althaus. Nun, Mülheim ließ Kettwig aber nur sehr ungern gehen. Wie so oft, so spielt auch hier das Thema Geld die entscheidende Rolle. Denn mit den 6200 Kettwiger Protestanten drohten auch kostbare Kirchensteuer-Einnahmen verloren zu gehen. Deshalb fand man diesen Kompromiss: In den nächsten fünf Jahren muss der Kirchenkreis Essen zugunsten von Mülheim auf alle Einnahmen verzichten, die die Gemeinde Kettwig einbringt – 180 000 Euro im Jahr, 900 000 Euro bis 2020.

Während das benachbarte Werden katholisch dominiert ist, gilt Kettwig seit Jahrhunderten als eine Hochburg des Protestantismus. Die Wurzeln der evangelischen Gemeinde an der Ruhr reichen zurück ins Jahr 1607.