Essen. Der unter Missbrauchsverdacht stehende frühere Ruhrbischof verliert seinen Platz, das ist schon länger klar. Politik einigt sich auf neuen Namen.
Wenn die Christen vom „Fegefeuer“ sprechen, dann meinen sie damit einen sinnbildlichen Ort der Läuterung: einen Platz für all jene Sünder, die bis zu ihrem Tod nicht alles gebüßt haben, und auch wenn das für manchen womöglich wunderbar ins Bild passt - das ist dann doch nicht der Grund, warum der Kardinal-Hengsbach-Platz in der Essener Innenstadt seit ein paar Tagen als „Feuerwald“ ausgeschildert ist. Der knallbunte Wegweiser markiert nur die Weihnachtsmarkt- und Showbühne von Schausteller-Präsident Albert Ritter. Der neue Name dagegen kommt voraussichtlich im Januar mit versöhnlicherem Gestus: „Friedensplatz“.
Das alte Straßenschild einstweilen zu ver-hüllen, nach allem, was da im September ent-hüllt wurde: In der lokalen Politik sind sie über diese befristete Tilgung des ungeliebten Platznamens alles andere als gram. Denn kaum waren im September die massiven Vorwürfe in der Welt, Ruhrbischof Franz Hengsbach habe in früheren Jahren mindestens zwei Frauen sexuelle Gewalt angetan, war für Oberbürgermeister Thomas Kufen klar: „Der Platzname kann so nicht aufrechterhalten werden.“
Kein Widerspruch gegen den „Friedensplatz“ – von ganz links bis ganz rechts
Wie sich der OB die von ihm als „unausweichlich“ bezeichnete Umbenennung vorstellt, verriet er am Freitag bei der jüngsten Sitzung des Ältestenrates: In dieser kleinen Runde der politischen Frontleute, in der heikle Themen vorbesprochen werden, bevor sie das ganz große Forum erreichen, fand Kufen dem Vernehmen nach jedenfalls ungeteilte Zustimmung, von ganz links bis ganz rechts.
Denn „Friedensplatz“ - wer wollte dagegen etwas sagen, zumal in kriegerischen Zeiten wie diesen? Eine Friedenstraße gibt es zwar in Kray, eine unscheinbare Sackgasse in der Nähe der Autobahn A40, aber sei’s drum, ein gleichnamiger Platz, zentral zumal, existiert nicht. Das erspart einem Debatten über Persönlichkeiten zwischen Ex-Kanzler Helmut Kohl, der ehemaligen Essener Bürgermeisterin Berta Möller-Dostali oder der iranischen Märtyrerin Jina Mahsa Amini oder welche Namen auch sonst im Vorfeld des Hengsbach-Banns im politischen Raum kursierten. Wobei für die Politik stets klar schien, dass es ein Zurück zum Kurienplatz, denn so hieß der Kardinal-Hengsbach-Platz bis Mai 1994, auch nicht geben sollte.
Ende Januar soll die Umbenennung vom Haupt- und Finanzausschuss des Essener Stadtrates beschlossen werden, die örtliche Bezirksvertretung, die sonst Namensänderungen in Fällen eher untergeordneter Bedeutung beschließt, wird parallel informiert.
Während die Stadt damit in wenigen Wochen das Kapitel Hengsbach abgeschlossen hätte, fällt es der katholischen Kirche deutlich schwerer, die letzten Spuren der Erinnerung an den einst so beliebten und verehrten Kardinal zu tilgen. Noch immer ist nicht klar, was mit der mannshohen Statue aus Hartkeramik passieren soll, die seit Herbst 2011 ein paar Meter vom Noch-Hengsbach-Platz entfernt auf dem Domplatz stand, bis sie in einer für Kirchenkreise bemerkenswerten Eile wenige Tage nach Bekanntwerden der Missbrauchs-Vorwürfe abmontiert und eingelagert wurde.
Die umstrittene Hengsbach-Statue könnte womöglich im Ruhr Museum unterkommen
Dem Vernehmen nach ist das Ruhr Museum auf Zollverein nicht abgeneigt, das Denkmal zu übernehmen, das formell dem Domkapitel gehört. Ob es dazu kommt, ob das durchaus umstrittene Werk dann „nur“ im Schau-Depot oder gar in der Dauerausstellung eine Heimat finden wird, ob aufrecht wie bisher oder gar um 180 Grad gedreht, wie die Künstlerin Silke Rehberg es mit Blick auf die Anschuldigungen vorgeschlagen hatte, ist noch unklar. Die sechs aus dem einstigen Fundament am Domplatz herausragenden Bolzenschrauben wird man jedenfalls womöglich noch einmal gebrauchen können, denn anstelle des „guten Hirten“ Hengsbach soll dort irgendwann eine Art Mahnmal für die Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche zu stehen kommen.
Nichts, bei dem die Stadtspitze oder die Politik mitmischen würde. Sie scheinen glücklich mit dem Friedensplatz an der Anbetungskirche, ein Kompromiss, den alle mittragen können, was in Zeiten wie diesen keine Selbstverständlichkeit ist. Nichts zu gendern, nichts zu bereuen, mit dem Frieden kommen sie alle klar: Einheimische und Zugewanderte, Gläubige und Nichtgläubige, ein Platz des himmlischen Friedens, aber so wird er natürlich nicht heißen.
Aus Gründen.