Essen. . 10.000 Euro blättern Sammler für die edlen Flaschen des französischen Weingutes auf den Tisch. Doch sicher können sie nicht immer sein, dass sie das Original besitzen. Vor dem Landgericht Essen muss sich ein Weinhändler verantworten, der billigen Wein in gefälschten Flaschen verkauft haben soll.

Jesus hatte immerhin Wasser zu Wein gewandelt. Einem Essener Weinhändler wirft die Staatsanwaltschaft das Gegenteil vor. Er soll in Flaschen des „berühmtesten Weingutes der Erde“ eine minderwertige Flüssigkeit abgefüllt und für den Originalpreis verkauft haben: 10.000 Euro pro Stück.

Eigentlich ein normaler Betrugsprozess, bei dem es um billigen Wein in teuren Flaschen geht. Wären da nicht die Asservate, die auf dem Richtertisch der XII. Strafkammer am Landgericht Essen aufgebaut sind: Styroporkisten voll des edlen Pinot Noir von der „Domaine de la Romanée-Conti“ im französischen Burgund, kurz DRC genannt.

Rund 10.000 Euro zahlen vor allem Sammler für die Flaschen, verstehen die Investition als Geldanlage. Weltweit liefert das Weingut an einen ausgewählten Kundenkreis aus. Käufer sitzen in Hongkong, Singapur, Russland, aber auch in der Schweiz und in Deutschland. Geöffnet wird kaum einer dieser edlen Tropfen, weil die Flaschen im Weinkeller lagern und als Kapitalanlage gelten.

Nummerierte Etiketten

Das französische Weingut hat den Vertriebsweg streng reglementiert. Pro Land gibt es nur einen Importeur. Nummerierte Etiketten und ein Brandzeichen am Korken garantieren die Exklusivität. Trotzdem gibt es einen grauen Markt, weil der ein oder andere Weinsammler den Tropfen doch einmal zu Geld machen will, oder Erben den Weinkeller ihres lieben Verstorbenen versilbern.

In diese Marktnische soll der 50 Jahre alte Essener vorgestoßen sein. Er betreibt sein Geschäft hinter einer unscheinbaren Fassade eines Hauses am Rande des noblen Essener Stadtteils Rüttenscheid. Per E-Mail hält er Kontakt zu seinen Käufern, bietet ihnen die Weine an. Ein prächtiges Ambiente gehört dazu, wenn Flaschen an die Luxusschicht verkauft werden. Ein Großhändler aus Freiburg schildert dem Gericht am Mittwoch, wie die Übergabe der Kisten in den Räumen eines Edel-Italieners in der Essener City verlief. Dass der in der Region für seine Kochkunst anerkannte Gastronom in das Ermittlungsverfahren verwickelt ist, konnte der Händler nicht ahnen. Er war froh, einen Lieferanten entdeckt zu haben.

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Die Staatsanwaltschaft Essen glaubt aber, dass der Luxus-Italiener dem angeklagten Weinhändler den Betrug erst ermöglicht hat. Denn er soll es gewesen sein, der diesem die Nummern auf den falschen Etiketten genannt hat. Aus welcher Quelle die Etiketten stammen, ist den Ermittlern allerdings noch nicht klar.

Ermittlungen gegen Edel-Italiener

Der Gastronom, der als Zeuge vor Gericht die Auskunft verweigerte, um sich „nicht der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen“, sieht sich selbst als Opfer des Betruges. Mehr sagte er am Rande des Prozesses zu dieser Zeitung nicht. Unschuldig nennt sich auch der Weinhändler, der die Verkäufe gegenüber dem Gericht einräumte. Er will von seinem Lieferanten betrogen worden sein, habe nichts von den Fälschungen gewusst. Selbst wenn das Gericht ihm in diesem Punkt folgen würde, ganz billig wird er nicht davon kommen. Denn eine mitangeklagte Steuerhinterziehung in Höhe von rund 500 000 Euro hat er bereits grob zugegeben.

Um rund 300 verkaufte Flaschen geht es. Aufgefallen war der Betrug, als einer der Käufer Verdacht schöpfte und den Pinot Noir überprüfen ließ. Dem französischen Weingut war es schon anhand von Äußerlichkeiten möglich, den Flascheninhalt als, ‘tschuldigung, billige Plörre zu erkennen. Beamte des hessischen Landeskriminalamtes, die im vergangenen Jahr einem Betrug mit acht Flaschen des französischen Weingutes nachspürten, berichteten noch von einer sensorischen Prüfung durch den Kellermeister. Er habe die Flasche entkorkt, einige Tropfen auf die Zunge geträufelt und umgehend angewidert ausgespuckt.

Eigentlich macht die Domaine de la Romanée-Conti ein großes Betriebsgeheimnis um ihre Produkte. Zwar nennt das Internet-Lexikon Wikipedia die Franzosen „das berühmteste Weingut der Erde“, aber alles andere soll die Welt nicht erfahren. Ein Vertreter der Firma erzählte im Essener Prozess noch öffentlich, wie sie dafür sorgen, dass überzählige Etiketten und Korken nicht in falsche Hände geraten: „Der Kellermeister persönlich verbrennt sie.“ Als er aber individuelle äußerliche Merkmale der Flaschen und Etiketten nennen sollte, schloss das Gericht auf seinen Wunsch die Öffentlichkeit aus.