Essen. Zehnter Tag im Prozess gegen den ehemaligen Star-Chirurgen des Essener Klinikums. Zwei seiner Mitarbeiterinnen sagen vor dem Landgericht Essen aus, und er selbst erklärt, wie er es schafft, in 50 Minuten den OP-Saal im Klinikum zu verlassen und am Düsseldorfer Flughafen abzuheben.
Eher bedächtig stellen die Juristen ihre Fragen im Prozess gegen den Star-Chirurgen Christoph Broelsch (65). Jedes Wort will wohl überlegt sein. Broelsch nimmt das seit zehn Tagen hin. Was bleibt ihm übrig? Dass er ein anderes Tempo kennt, hat er der XXI. Strafkammer schon mal erzählt, als er von fast gleichzeitiger Anwesenheit in mehreren Operationssälen sprach. Am Freitag gibt er ein neues Beispiel.
Es geht um die Frage, ob er tatsächlich an einer am 13. Juni 2006 von 8.55 bis 11.30 Uhr durchgeführten Operation teilnahm, obwohl er bereits um 11.20 Uhr vom Düsseldorfer Flughafen aus zu einem Kongress in China abflog. Eine wichtige Frage, denn für seinen persönlichen Einsatz hatte die Patientin 5000 Euro „Spende” gezahlt. Kein Problem, signalisiert Broelsch, er habe die Kern-OP vorgenommen: „Um 10.30 Uhr war meine Präsenz beendet. Nach Düsseldorf brauchten wir mit dem Fahrdienst 15 Minuten. Einchecken zwei, Sicherheit fünf bis sechs Minuten. Das haben wir öfter gemacht.” Richter Wolfgang Schmidt zweifelt, ob 50 Minuten vom OP bis in den Flieger ausreichen: Händewaschen, umziehen, durchs Klinikum zum Auto, die Wege am Flughafen? Doch der Professor bleibt dabei, er sei so schnell.
Im OP-Protokoll nicht vermerkt
Ihn erschüttert nicht, dass ein Oberarzt bei der Polizei angab, er habe Broelsch mal als anwesend ins OP-Protokoll aufnehmen müssen, obwohl der gar nicht da war. „Der hat doch viel gesagt, vielleicht um sich selbst zu entlasten”, kommentiert er. Dass er im Protokoll der Narkoseabteilung bei dieser OP gar nicht auftauchte? „Was die Anästhesie aufschreibt, entzieht sich meiner Kenntnis.” Auf diese Abteilung scheint er schlecht zu sprechen zu sein. Von einem „zähnefletschend durch die Flure streichenden Anästhesisten” spricht er, weil dieser wegen der Spenden an Broelsch die gesetzlich Versicherten nicht mehr als Privatpatienten abrechnen konnte.
Zwei Mitarbeiterinnen von Broelsch werden gehört. Schlecht reden sie nicht über ihren alten Chef, versuchen ihn und sich selbst zu entlasten. Bargeld wollen sie entgegen vieler Zeugenaussagen auch nicht angenommen haben. Eine 66-Jährige, die von vielen Patienten als zentrale Spendensammlerin angesehen wurde, will immer auf die guten Oberärzte hingewiesen haben: „Als ob die Patienten meinten, nur der Professor könne operieren.”
Broelsch wird auch offensiv. Als eine Mitarbeiterin ausweichend antwortet, warum er ihr den Anwalt fürs Gespräch mit dem Personalchef zahlte, meldet er sich: „Ich sagte: Gehen Sie zu dem Verein nie ohne Anwalt.” Er habe bereut, solch ein Gespräch ohne Anwalt geführt zu haben.
Justiziare wiesen Broelsch wohl auf bedenkliche Spendenpraxis hin