Essen/Gelsenkirchen.

Wer einen Gangsterfilm drehen will, würde ihr nicht unbedingt die Hauptrolle geben. Doch laut Anklage soll Jeanette R. (54) aus der Altstadt Chefin einer Drogenbande sein, die in nur zwei Monaten mit 3,5 Kilo Heroin handelte.

Acht Angeklagte sitzen seit Donnerstag vor der VII. Essener Strafkammer. Die Frauenquote ist mit sechs Frauen übererfüllt. 25 Jahre alt ist die Jüngste, die Anderen sind zwischen 40 und 54 Jahre alt. Die Männer sind 38 und 35 Jahre alt. Der Sohn der Hauptangeklagten gehört dazu. Selbst sein Gesicht ist großflächig tätowiert.

Kein unbeschriebenes Blatt

Doch das Verfahren gegen sie alle stockt, weil die Verteidiger Anträge stellen. Staats­an­wältin Yvonne Rothe kommt nicht dazu, die Anklage vorzulesen. Darin steht, dass Jeanette R. die Drogen orderte und die übrigen Angeklagten als „Läufer“ für die Verteilung der Ware verantwortlich waren. Nach Er­kenntnis der Ermittler versorgte die Hauptangeklagte in der Justizvollzugsanstalt Werl sogar oft ihren dort einsitzenden Freund mit Heroin.

Jeanette R. ist für die Justiz kein unbeschriebenes Blatt. 1994 verurteilte das Landgericht Essen sie zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis wegen schwerer Brandstiftung und Versicherungsbetruges. Später soll sie auch mal bei einer Vernehmung in den Räumen der Staatsanwaltschaft festgenommen worden sein.

Spät Akten bekommen

Den Verteidigern, so sagen diese, geht es um Grundsätzliches. Rechtsanwalt Timo Scharrmann rügt die Zuständigkeit des Gerichtes. Denn der Prozess war zunächst bei einer anderen Kammer, die den Fall „wegen Überlastung“ an die VII. Kammer abgab, angeklagt. Anwältin Heike Michaelis will eine Aussetzung des Verfahrens, weil ihr Teile der Akten fehlten. Auch Verteidiger Clemens Louis und seine Kollegin Sonka Mehner-Heurs klagen, dass ihnen wichtige Teile der Akten erst am Vortag zugestellt worden seien. So könnten sie das Verfahren nicht vorbereiten.

Richter Rudolf Fink reagiert ungehalten. Zwar räumt er ein, dass das Gericht Fehler gemacht habe; „Das passiert. Man wird auf dem falschen Fuß erwischt.“ Aber bevor seine Kammer über die Anträge entscheidet, zieht er mehr oder weniger niveauvoll über die Anwälte her. Verteidiger Scharrmann unterstellt er „Wortgeklingel“, Anwalt Louis „publikumswirksames“ Ausnutzen möglicher Gerichtsfehler. Den An­geklagten teilt er mit, dass es der Kammer „scheißegal“ sei, wenn sie „durch Anträge aufgehalten wird“. Fink zu den Angeklagten: „Wir können das gut ab. Wir können rausgehen, wenn die Sonne scheint.“ Er spielt darauf an, dass zwischen Saal und Vorführzellen vier Etagen ohne Aufzug liegen: „Sie dagegen müssen nach Anträgen immer hoch und runter.“ Am 21. März geht es weiter.