Essen-Frohnhausen. Ex-Thaibox-Weltmeister zeigt jungen Zugewanderten den Kampfsport, damit sie Selbstbewusstsein erlangen und sich im Ernstfall verteidigen können.
Schade, dass die Kriegstreiber aus Afghanistan, Irak und Iran nicht in der Schule an der Adelkampstraße in Frohnhausen vorbeigeschaut haben. Dort könnten sie nämlich erleben, wie die Kinder aus ihren verfeindeten Ländern friedlich und freundschaftlich miteinander umgehen – obwohl sie sich schlagen. Doch die jungen Leute lernen nicht Krieg – den kennen sie bereits – , sondern Kampfsport, vermittelt von Wolfgang Ufer. Der 64-Jährige war in jungen Jahren Thaibox-Weltmeister und hat als „Meister Wu“ schon Tausenden von Jugendlichen die Kunst der Selbstverteidigung beigebracht, wie er sagt.
Projekt „Angekommen in deiner Stadt Essen“ hilft bei der Integration
So wie derzeit in der Albert-Liebmann-Förderschule in Frohnhausen. Hier unterstützt das Projekt „Angekommen in deiner Stadt Essen“ seit Herbst 2017 neu zugewanderte junge Menschen ab 16 Jahren bei ihrer Integration in die Gesellschaft. Die Schule in Frohnhausen ist ein Begegnungsort für sie, um sie beim Lernen zu unterstützen.
Etwa wie die jungen Frauen Hadis (18) aus Iran, Aven (20) aus Irak und Kenda (19) aus Syrien. Erstaunlich gut verständigen sie sich auf Deutsch, und sind sich einig, dass Thaiboxen mit Jungs mehr Spaß macht. „Mit ihnen ist es besser, man lernt Selbstbewusstsein“, sagt Kenda. Ein kleines Persönchen, das aber mit Boxhandschuhen einem gestandenen Redakteur schon Respekt vermitteln kann. Im Zweifelsfall hätte man es sicherlich mit einer energischen Gegnerin zu tun.
Ein genauer Treffer kann entscheidend sein
Doch davon sind Nezami (17), Shahram (18) und Farzad (16), alle aus Afghanistan, weit entfernt. Sie sind ebenfalls mit allem Ernst dabei, wenn Wolfgang Ufer ihnen das Schlagkissen hinhält, damit sie kontrolliert in seine Faust schlagen. Und zwar immer wieder, denn genaues Treffen kann entscheidend sein. Tut das denn nicht weh? Aven schüttelt den Kopf: „Nein, Boxen ist der schönste Sport. Wenn man es lernt, tut es nicht weh.“
Begegnungsort
Das Projekt „Angekommen in deiner Stadt Essen“ unterstützt seit zwei Jahren neu zugewanderte Jugendliche ab 16 Jahren bei ihrer Integration.
Am Projektstandort Frohnhausen entsteht nach und nach ein Begegnungsort, der vor allem Angebote bereithält, die sie beim schulischen Lernen unterstützen können.
Wolfgang Ufer, der in Essen-Huttrop auch eine Sportschule betrieben hat, liebt seinen Sport und vermittelt ihn an die jungen Leute. „Sie müssen Selbstvertrauen bekommen“, weiß er aus langer Erfahrung. Die Mädchen und Jungen pendelten häufig zwischen den Extremen – mal seien sie zu ruhig, dann wieder hyperaktiv. Für ihn selbst sind die Sportstunden dienstags und donnerstags ebenfalls wichtig. Denn als Jugendlicher ist er hier noch selbst zur Schule gegangen – und hat diese Zeit in Essen-Frohnhausen nicht vergessen. „Die Städte Essen und Oberhausen haben mir soviel Gutes getan, das möchte ich etwas zurückgeben“, sagt er. Zusammen mit seinem Freund Ion Bondar, dem ehemaligen Trainer des Handball-Teams von Tusem Essen, hat er im Herbst einfach in der Schule nachgefragt, ob er nicht ein Kampfsporttraining anbieten könne.
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Bei der Projektleiterin haben Trainer offene Türen eingerannt
Bei Gabriele Trappmann sind die beiden dabei offene Türen eingerannt. Die Leiterin des Projekts ist glücklich, neben Kunst, Musik, Mathematik und Sprache den Jugendlichen noch ein weiteres Angebot machen zu können.
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Und weil gerade Adventszeit ist, warten am Ende der Trainingsstunde noch Spekulatien auf die Jugendlichen. Dass die Kriegstreiber aus ihren Heimatländern nicht da sind, ist natürlich kein Thema. Allerdings kann man in die Köpfe der jungen Leute, die nach Deutschland geflüchtet sind, auch nicht wirklich hineingucken.