Essen. Gleich drei City-nahe Essener Bürohochhäuser aus den 1960er Jahren stehen derzeit leer. Zumindest zweien droht der Abriss, denn lohnende Mieten für fällige Investitionen sind am Markt kaum zu erzielen.

Es gab eine Zeit, da prägten Kirchtürme die Silhouette der Stadt. Später folgten die Schlote vor allem der Kruppschen Fabriken, und heute machen Wolkenkratzer die Skyline aus: Sie erzählen vom Wandel einer ganzen Arbeitsregion – Essen, der Schreibtisch des Reviers.

Doch in dem steckt, um mal im Bild zu bleiben, immer öfter der Wurm drin. Denn ein halbes Jahrhundert, nachdem sich die Architekten mit ihren Bauplänen in hiesigen Breiten erstmals himmelwärts orientierten, kommen Hochhaus-Büros zunehmend aus der Mode.

Drei Hochhäuser stehen leer

Zwar war es immer schon etwas teurer, Hochhäuser zu nutzen, aber das gilt erst recht, nun, da Brandschutz-Auflagen, Anforderungen an eine moderne Haustechnik und die digitale Arbeitswelt beachtliche Investitionen einfordern.

Folge: Gleich drei Hochhäuser aus den 1960er Jahren stehen derzeit leer – das alte „Iduna“-Hochhaus am Limbecker Platz, das Hochhaus der Deutschen Bahn am Hauptbahnhof und das einstige „Rheinstahl“-Hochhaus an der Kruppstraße, das Thyssen-Krupp erst vor wenigen Wochen leergezogen hat.

Modernisierung lohnt sich nicht

Fragt man Marcus Kruse von der Projektentwicklungs-Firma Kölbl Kruse, winkt der in allen drei Fällen achselzuckend ab: Kaum Chancen am Markt. Denn die Hochbauten seien „in ihrer Form gefangen“: Der Anteil der vermietbaren Fläche pro Etage ist eher gering, liegt im alten „Rheinstahl“-Hochhaus etwa bei 57 Prozent. Moderne Bürokomplexe kommen dagegen auf bis zu 88 Prozent. Wollte man die anspruchsvollen Immobilien nach modernsten Erfordernissen aufmöbeln und „vollständig revitalisieren“, müsste die Quadratmeter-Miete am Ende um die 18 Euro liegen, schätzt Kruse. Am Markt durchsetzbar sind aber allenfalls um die 14 Euro.

Kein Wunder, dass bei zwei betagten Hochhäusern derzeit ein Abriss im Gespräch ist: so beim alten Deutsche Bahn-Hochhaus direkt am Hauptbahnhof. Bis Anfang kommenden Jahres, so verspricht Olaf Geist, NRW-Regionalleiter des Immobilienunternehmens Aurelis, soll sich der Nebel gelichtet haben, ob das vor zwei Jahren leergezogene Objekt gegenüber dem Handelshof noch mal aufgebrezelt oder dem Erdboden gleich gemacht wird.

„Rheinstahl“-Komplex steht so gut wie unter Denkmalschutz 

Ähnliches gilt fürs „Iduna“-Hochhaus, das mit dem Auszug des Finanzdienstleisters GFKL im Frühsommer verwaiste. Hier ist die Lage umso verfahrener, als der Eigentümer EuroPRISA TMW Essen GmbH bereits Insolvenz anmelden musste und nun die finanzierende Sparkasse Essen als Millionen-Gläubiger das Objekt am Bein hat. Die Zwangsversteigerung ist beantragt, ein Investment eher fraglich: „W i r werden das Gebäude mit Sicherheit nicht sanieren“, sagt Sparkassen-Sprecher Volker Schleede auf Nachfrage der NRZ.

Immerhin gilt das alte Iduna-Hochhaus nicht als denkmalwürdig – so wie der „Rheinstahl“-Komplex, der 1961 als erster Wolkenkratzer des Reviers in den damals noch nicht ganz so blauen Himmel über der Ruhr strebte. Die Untersuchungen für die Unterschutzstellung laufen, und dass das 80,01 Meter hohe Gebäude zum Denkmal wird, gilt bei der Stadt fast schon als ausgemachte Sache. Offen ist nur, wie weit der Denkmalschutz dann geht.

30 Jahre Leerstand bei Denkmalschutz

Eigentümer Thyssen-Krupp hadert schon, weil man weiß: Je restriktiver die Auflagen, desto hinderlicher für einen Verkauf. Und bei Kölbl Kruse ist man sogar überzeugt: „Wenn das Haus komplett unter Denkmalschutz kommt, haben wir da 30 Jahre Leerstand.“

Immerhin gibt es einen Interessenten, der mit dem Denkmalschutz offenbar leben könnte – und der schon unter Beweis gestellt hat, dass er ein „Problem-Hochhaus“ in den Griff bekommt: Hubert Schulte-Kemper und seine Fakt AG, die der alten Ruhrgas-Zentrale an der Huttropstraße nach langem Leerstand neues Leben einhauchten, sollen auch am „Rheinstahl“-Hochhaus sehr interessiert sein. Ob erneut ein zentral gemanagter Hochhaus-Komplex mit unterschiedlichen Nutzern entstehen soll, der sich klassischen Wiederverkaufs-Überlegungen entzieht, muss offen bleiben: Schulte-Kemper mag sich derzeit nicht erklären.

Alte Hochhäuser könnten gegen RWE verlieren

Und die Frage ist auch, wie oft man ein – zumindest bislang – erfolgreiches Konzept kopieren kann. Denn nicht ausgeschlossen ist, dass der Hochhaus-Exodus weitergeht. Noch hört man zumindest Beruhigendes von der gegenüberliegenden Straßenseite des Rheinstahl-Baus, wo 1962 der Energieriese RWE seine Hauptverwaltung errichtete und 1975 um einen wuchtigen Bau erweiterte. Die Gebäude gehören einer luxemburgischen Firma namens ColEssen S.à.r.l. und sind bis 2020 bzw. 2017 an RWE vermietet.

Doch im Markt raunt man sich auch zu, dass der RWE-Konzern Pläne für einen spürbaren Abbau seiner Mietflächen um Zehntausende Quadratmeter schmiedet. Sind dann die alten Hochhäuser die Verlierer? Auch vom neuen, 1996 bezogenen Turm, dem ausgerechnet der Personalvorstand bescheinigte „grundsätzlich ungeeignet für moderne Verwaltung“ zu sein, hat RWE sich soeben getrennt. Er wurde an einen US-amerikanischen Immobilienfonds verkauft und „langfristig“ zurückgemietet.

Ein schlechtes Zeichen? Nein, ein gutes, heißt es bei den Wirtschaftsförderern: ein Zeichen dafür, dass Essen auf dem Radarschirm der Amis aufgetaucht ist. Und die wissen nicht zuletzt, wie man mit Hochhäusern Geschäfte macht.