Essen. Dank Schmerztherapie können Todkranke wie Robert Chromik die letzte Phase ihres Lebens in Würde gestalten. Ein Beispiel zum Welthospiztag, das Mut macht.
„Natürlich mache ich mir so meine Gedanken wenn die Ärzte sagen, dass ich noch drei bis sechs Monate zu leben habe. Aber Zeit ist relativ.“ Und worauf es Robert Chromik ankommt, das ist das Hier und Jetzt „und da erlebe ich eine sehr schöne Zeit.“ Doch so unbekümmert der Mann mit den unternehmungslustig strahlenden Augen mit seiner Krebserkrankung scheinbar auch umgeht - sie hat sein Leben auf den Kopf gestellt.
Vier Jahre mit langen Chemotherapien und Operationen, guten Nachrichten und Rückschlägen liegen hinter ihm. Er gab die Wohnung auf, zog in einen Caravan und lebt auf einem Ruhr-Campingplatz in Werden. „Früher gab es Nachbarn, die wir seit Jahren kannten und trotzdem hatten wir kaum etwas miteinander zu tun. Auf dem Campingplatz lebe ich unter Freunden.“ In absehbarer Zeit wird er sterben - unter Freunden.
Ein Gespür für Menschen entwickeln
Dass Robert Chromik relativ schmerzfrei leben und aktiv sein kann, verdankt er einer guten Schmerztherapie. Deshalb treffen wir den 62-Jährigen auch in der Palliativstation am Uniklinikum Essen. „Allerdings bin ich diesmal hier nur für das Gespräch zu Gast“, sagt er schmunzelnd. Ob es viele Patienten gibt, die derart positiv mit ihrer Erkrankung umgehen können? „Jeder findet seinen eigenen Weg, um damit leben zu können“, sagt Ulrich Ritterbusch, Pflege-Koordinatorin auf der Palliativstation, „und so individuell wie der Mensch ist, der mit seiner Erkrankung zu uns kommt, gehen wir auch mit ihm um.“
Robert Chromik etwa koche gern, „also haben wir das hier auf der Station ermöglicht und mit ihm gemeinsam gemacht.“ Reden, zuhören, sich Zeit nehmen, ein gutes Gespür für Menschen entwickeln, das seien die wichtigsten Aufgaben der mehr als 30 ausgebildeten ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter. Nur so ließen sich Kranke auch mental so weit stabilisieren, dass sie in der letzten Phase ihres Lebens noch einmal ins häusliche Umfeld zurückkehren könnten.
"Die Zeit gut nutzen, die einem bleibt"
Den meisten ist das sehr wichtig, so schlecht es ihnen auch gehen mag. „70 Prozent aller Menschen möchten nicht in einem Krankenhaus sterben“, sagt Ulrike Ritterbusch, „und doch versterben 70 Prozent genau dort.“ Und wie ist es, wenn der Patient nicht mehr nach Hause kann? „Das ist für viele ein heikles Thema. Natürlich muss man genau hinschauen, ob ein Mensch kurz vor dem Tod in einem Hospiz nicht besser aufgehoben ist.“ Doch häufig werde Hospiz mit dem Tod gleichgesetzt, „dabei ist damit eine bestimmte Phase gemeint, die auch zum Leben gehört. Es heißt nicht, dass man in dieser Phase gar nichts mehr für einen Menschen tun kann. Jeder Tag im Leben ist wichtig. Und in Hospizen ist man bemüht, die letzten Tage eines Menschen so angenehm wie möglich zu gestalten.“
Infos zum Welthospiztag
Anlässlich des Welthospiztages am Samstag, 11. Oktober, öffnet das Hospiz Essen-Steele, Hellweg 102, von 11 bis 17 Uhr seine Pforten. Neben Besichtigungsmöglichkeiten der Räume gibt es Live-Musik und Informationen über die Hospizarbeit.
Zum 25-jährigen Bestehen des Vereins der Freunde und Förderer des Hospizes gibt es eine Gottesdienstliche Matinee am Sonntag, 12. Oktober, 11 Uhr. Die Festveranstaltung ist am 15. Oktober, 17 Uhr. Prof. Andreas Heller spricht zur Zukunft der Hospizbewegung.
Woher nun Robert Chromik seine Kraft nimmt, positiv in die Zukunft zu blicken? „Was soll ich sonst machen?“, fragt er erstaunt zurück. Dann scheint es, als würde er sich besinnen auf die Hand, die zärtlich seine hält. „Meine Frau“, sagt er gerührt, „das ist meine Kraft. Alles andere ist der Lauf der Dinge. Wie es läuft, läuft es halt.“ Da ist kein Hadern, kein Verzweifeln. „Natürlich gibt es auch Tage, da geht es mir schlecht. Dann schmerzen meine Gliedmaßen, Muskeln und Nerven von der Chemotherapie.“ In letzter Zeit falle es ihm schwer zu laufen. Dennoch reisen Henriette und Robert Chromik viel mit ihrem Wohnmobil. „Man muss die Zeit gut nutzen, die einem bleibt.“ Genau das scheint die Einstellung zu sein, die ihn stets positiv durchs Leben getragen hat. So möchte er es beibehalten, unter Freunden - so lange es eben geht.
Schmerzfreiheit bringt Lebensqualität zurück
Ein Stück Lebensqualität in der letzten Phase zu finden ist nicht immer leicht. „Wer zwischendurch Hochphasen hat, sollte daraus das Bestmögliche schöpfen und die Zeit positiv nutzen. Selbst wenn man schnell schwach wird, es lohnt sich, zumindest Kleinigkeiten zu unternehmen. Denn neue Eindrücke bringen auch wieder zusätzliche Kraft“, sagt Ulrike Ritterbusch, Pflege-Koordinatorin der Palliativstation am Uniklinikum Essen. Wie das gelingt? Ein gutes Netzwerk ist entscheidend. Fachärzte, Psychologen, Therapeuten und ein großes Team Ehrenamtlicher, die Patienten ihre Zeit widmen und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Hautkontakt, Zeit für intensive Gespräche, einen Rückblick auf das Leben, das Klären wichtiger Fragen - „ohne ehrenamtliche Helfer, die uns unterstützen, ginge das gar nicht.“
Zwölf Bettenplätze hat die Station. „Im Schnitt bleiben die Patienten 18 Tage bei uns - was natürlich wenig aussagt.“ Während manche nur wenige Stunden bleiben, erholen sich andere und schöpfen noch einmal Kraft. Denn die Schmerzfreiheit bringt für viele eine bereits verloren geglaubte Lebensqualität zurück. „Das Ziel des gesamten Teams ist es, die Symptome so zu kontrollieren, dass der Mensch da hingehen kann, wo er hingehen möchte und das erleben darf, was er will.“