Essen. Manfred Herrmann zog bis vors Bundesverfassungsgericht, um seinen Anspruch auf Wohngeld durchzusetzen. Dieses gab dem 60-Jährigen Recht – was weitreichende Konsequenzen für das Wohngeldgesetz haben könnte. Denn laut Gericht entspricht die derzeitige Rechtslage nicht dem Grundgesetz.
Bei einer Scheidung kommen eigentlich schon genügend Kosten auf alle Beteiligten zu. Wenn Kinder im Spiel sind, ist die Situation oft doppelt schwierig. Vor allem finanziell – davon kann auch Manfred Herrmann ein Lied singen, der sich von den Behörden im Stich gelassen fühlt. Seit 2009 geht der 60-Jährige nun einen Marsch durch alle juristischen Instanzen, um seinen Anspruch auf Wohngeld durchzusetzen. Dafür zog er sogar bis vors Bundesverfassungsgericht, das ihm nun mit dem Ergebnis Recht gab, dass die gegenwärtige Formulierung des Gesetzes und die Rechtsprechung in Sachen Wohngeld in einem Punkt verfassungswidrig sei.
Doch von vorn: Herrmann ist Vater zweier mittlerweile erwachsener Töchter. Als er sich vor einigen Jahren von seiner Frau scheiden ließ, wurde dieser das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Nun haben bei de Elternteile eine gesetzliche Pflicht zum Umgang mit den eigenen Kindern, doch müssen dafür auch die räumlichen Voraussetzungen in den Wohnungen von Mutter und Vater geschaffen sein. „Meine Töchter können ja schlecht in der Badewanne übernachten“, bemerkt Herrmann spitz. Getrennte Elternteile, die Hartz IV empfangen, haben demnach einen Anspruch darauf, dass das Jobcenter die Wohnungsgröße bedarfsgerecht bei seinen Zahlungen berücksichtigt, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Wer das Sorgerecht trägt, spielt in diesem Fall keine Rolle.
Keine Prozesskostenübernahme
Anders ist der Fall bei Menschen gelagert, die ein geringfügig höheres Einkommen als Hartz-IV-Empfänger und damit grundsätzlich Anspruch auf Wohngeld haben. Wenn sie nicht die Sorge für ihre Kinder tragen, werden bei der Berechnung des Wohngeldanspruchs die Kinder nicht berücksichtigt. „2009 ist das Wohngeldgesetz reformiert worden, aber in dem Punkt hat der Gesetzgeber einfach nicht nachgedacht“, ist Herrmann sich sicher.
Will heißen: Weil er zu diesem Zeitpunkt nicht das Sorgerecht für seine Töchter trug, hatte er nach Auskunft der Behörde auch keinen Anspruch auf Wohngeld. Von der Wohngeldstelle der Stadt Essen erhielt er keinen Cent. Eine Ungerechtigkeit, wie der studierte Physiker findet – damit wollte er sich nicht abfinden. Auch Menschen mit geringem Einkommen ohne formales Sorgerecht hätten aus seiner Sicht ein Recht darauf, ihren Kindern ein ordentliches Kinderzimmer zu bieten.
Hoffnung auf Nachzahlung
Und das muss irgendwie finanziert werden. Somit zog er 2009 vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, das seine Klage jedoch im März 2010 abwies. Ein Berufungsverfahren konnte nur mithilfe eines Anwalts geführt werden, der hierfür zwingend benötigt wird. Doch den konnte sich Herrmann nicht leisten. Prompt stellte er einen Antrag auf Prozesskostenübernahme beim Oberverwaltungsgericht in Münster – der wiederum abgelehnt wurde.
Dies war wohl der Punkt, an dem viele andere entnervt resigniert hätten, nicht so Manfred Herrmann: Er legte Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein – und erhielt just am 24. Dezember vergangenen Jahres sein ganz persönliches Weihnachtsgeschenk: Einen zehnseitigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gegen die bisherigen Entscheidungen der Verwaltung vom ausbleibenden Wohngeld bis zur Ablehnung der Prozesskostenübernahme. Beides entspreche nicht dem Grundgesetz.
Am 1. Dezember verhandelt das Oberverwaltungsgericht nun die Sache in Berufung. Zwar kann Manfred Herrmann inzwischen bestenfalls noch auf eine Nachzahlung des Wohngeldes hoffen, da seine Töchter inzwischen erwachsen sind, doch es geht ihm auch ums Prinzip: „Ich hoffe, dass mein Fall dazu führt, dass das Wohngeldgesetz geändert werden muss“, so Herrmann. „Andere Betroffene in einer ähnlichen Situation sollten es künftig leichter haben, die Mittel zu erhalten, um für ihre Kinder auch ein angemessenes Kinderzimmer in ihrer Wohnung finanzieren zu können.“