Essen. . Die Feuerwehr in der Stadt Essen appelliert an die Bürger, ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse aufzufrischen. Viele wissen im Notfall nicht, was zu tun ist.

Es ist ein Kampf gegen die Zeit. Und jede Minute, ja Sekunde entscheidet über Leben und Tod. Kreislaufversagen, Herzstillstand. Das Opfer atmet nicht mehr. Kein Retter weit und breit. Die Sirenen sind noch nicht zu hören. Was tun?

Viele Menschen sind ratlos, trauen sich nicht oder wissen nicht, wie sie mit der Wiederbelebung beginnen sollen, weil sie nicht mal die einfachsten Schritte kennen, weil der Erste-Hilfe-Kurses vor der Führerscheinprüfung meist auch ihr letzter war - und der möglicherweise Jahrzehnte zurückliegt.

Der Essener Feuerwehrchef Mike Filzen appelliert an die Bürger, ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse aufzufrischen. „Wir müssen bei diesem Thema mehr tun“, kündigt er an.

Das Ziel: Die Essener sollten wenigstens die allerwichtigsten Basisregeln beherrschen: das Opfer in die Seitenlange bringen, Kopf strecken, bei Herzstillstand reanimieren, starke Blutungen versorgen. Das funktioniert dann am besten, wenn jeder sich in regelmäßigen Abständen das Erste-Hilfe-ABC ins Gedächtnis ruft.

Ersthelfer stehen unter Stress

Doch die Realität ist eine andere. Das Deutsche Rote Kreuz hat im Vorjahr mit dem ADAC eine Umfrage gestartet. Das Ergebnis ist „erschreckend“, bilanziert Detlef Zabel, Leiter des Referates Ausbildung beim DRK-Kreisverband Essen. „Die Kenntnisse sind verblasst. Der letzte Erste-Hilfe-Kursus liegt bei rund 40 Prozent der Befragten mehr als zehn Jahre zurück“, klagt Zabel. Fünf Prozent haben noch nie an einem entsprechenden Training teilgenommen. Die Studie ergab, dass nur jeder Fünfte eine Wiederbelebung richtig durchführen kann! Gerade 46 Prozent beherrschen die stabile Seitenlage, nur 41 Prozent wissen sich bei einem Atemstillstand zu helfen und 20 Prozent, wie eine lebensbedrohliche Blutung gestoppt wird.

Für Essen liegen keine konkreten Zahlen darüber vor, wie oft die Feuerwehr zu einem leblosen Patienten gerufen wird. Schwarz auf weiß ist aber nachzulesen, dass hier die Zahl der Notfalleinsätze schon wegen der immer älter werdenden Bevölkerung kontinuierlich steigt - und zwar von 21.982 im Jahre 1986 auf nunmehr 57.787 im Jahre 2013. Düsseldorf erfasst seit wenigen Monaten die dringendsten Fälle gesondert. Danach mussten im ersten Halbjahr 2014 die Mitarbeiter der Notruf-Zentrale 65 Mal am Telefon dem Anrufer Anleitungen zur Reanimation geben, weil ein akuter Herzstillstand vorlag.

Das tun die Disponenten der Essener Feuerwehr auch, die für solche Vorfälle speziell geschult sind. Während ein Kollege in der Leitstelle den Notarzt alarmiert, erklärt der andere dem Anrufer, wie er den Patienten versorgt. Der Disponent weiß, unter welchem enormen Stress sein Gesprächspartner steht. Filzen: „Wir versuchen den Druck zu nehmen, damit er aktiv handeln kann.“

Erste-Hilfe-App für 89 Cent

Die Angst, zu versagen, ist in Extremsituationen groß. Trotzdem: „Viel falsch machen kann man nicht“, sagt der Feuerwehr-Sprecher. Aber wenn man lediglich auf die Retter wartet, ist die Wahrscheinlichkeit um so höher, dass der Patient stirbt, bevor sie eintreffen.

Denn: „Auch wenn wir ein gut strukturiertes Rettungssystem haben, ist der sofortige Beginn der Herz-Lungen-Wiederbelebung durch den Ersthelfer zwingend erforderlich“, betont DRK-Ausbildungsleiter Detlef Zabel. „In Essen benötigt ein Rettungswagen sieben bis acht Minuten, bis er vor Ort ist. Aber mit jeder Minute, in der keine Hilfeleistung bei einem Herzstillstand eingeleitet wird, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent.“ Das Gehirn kommt nur drei bis vier Minuten ohne Sauerstoff aus. Danach ist davon auszugehen, dass bleibende Schäden auftreten. Fazit: „Es reicht also nicht aus, nur den Notruf zu tätigen“, so Zabel.

Zwar bieten inzwischen Hilfsorganisationen wie das DRK und der Malteserhilfsdienst Erst-Hilfe-Apps fürs Handy mit Anleitungen für 89 Cent bzw. zum Nulltarif an. Die können aber den Kursus nicht ersetzen. Zabel: „Es kommt darauf an, dass sie das notwendige Wissen für den Notfall im Kopf haben.“ Deshalb plädiert er dafür, dass jeder alle zwei Jahre den Erste-Hilfe-Kursus wiederholt. Sein Landesverband fordert hierzu eine gesetzliche Festlegung für die Autofahrer. Um Leben zu retten.