Essen. . Beim Luftangriff auf Essen im Dezember 1944 kamen 99 russische Kriegsgefangene in einem Schutzstollen auf der damaligen Zeche Graf Beust ums Leben. Beim Tag des offenen Denkmals wurden die Gedenkstätte und das Schicksal der Gefangenen vorgestellt – doch das interessierte offenbar kaum jemanden.

Vor 70 Jahren, am 12. Dezember 1944, kamen bei einem großen britischen Luftangriff 99 russische Krieggefangene in einem Schutzstollen auf dem Gelände der damaligen Zeche Graf Beust im Essener Ostviertel ums Leben: Heute erinnert eine Gedenkstätte, die 20 Jahre nach diesem Ereignis errichtet worden ist, an die Gefallenen. Nach einer verschlungenen Geschichte sind seit kurzem auch die Namen auf einer Sondertafel verzeichnet.

Gleich zwei Führungen am Tag des Denkmals, am Sonntag, sollten die Geschehnisse und die Stätte ins Gedächtnis rufen, doch das Interesse war klein.

Nur ein Bürger kam

„Wir hatten um 14 Uhr sogar eine Führung in russischer Sprache angeboten, doch zu der ist niemand gekommen“, bedauert Valentina Wagner von der Essener Marketing Gesellschaft. Dabei wusste sie in eindringlichen Worten von der bewegenden Geschichte dieses Ortes zu berichten.

Auch bei der deutschen Führung war die Nachfrage gering: Neben dem Grünen-Politiker Rolf Fliß, der sich in seiner Zeit als Bürgermeister für die Erhaltung und Neugestaltung des Denkmals einsetzte, zeigte nur ein Bürger Interesse an diesem Angebot.

Luftangriff im Dezember 194 auf Essen – „Es war die Hölle“

Doch diese intime Atmosphäre wurde dem Schauplatz, der an ein grauenvolles Ereignis erinnert, durchaus gerecht. Um zu zeigen, dass die Beziehung zwischen Deutschen und Russen damals nicht völlig vom Krieg verpestet wurde, liest Wagner aus einem Brief aus dem Jahr 2001 an den damaligen Bürgermeister Wolfgang Reiniger: Eine russische Frau, die Teile ihrer Jugend in Essen als Kriegsgefangene erleben musste, und, wie sie schreibt, „durch Zufall“ zu den Überlebenden gehörte, erinnert sich daran, wie sich der Bombenteppich über die Stadt ausbreitete. „Es war die Hölle“, schrieb sie. Aber sie erinnert sich auch an einen Deutschen, der heimlich mit ihr ein kleines Stück Brot teilte – was dazu führte, dass sie gegen die Deutschen niemals Groll empfunden habe.

Die Geschichte der Gedenkstätte

Bereits 1946 erinnerte ein Schild an das Schicksal der 99 russischen Kriegsgefangenen, die im britischen Bombenhagel ums Leben gekommen sind. Das 1964 fertiggestellte Grabdenkmal ziert ein Bronze-Relief des Bildhauers Peter Weiss.

Bis 2013 galten die Opfer bei den russischen Behörden offiziell noch als vermisst. Seit Mai 2014 ergänzen zwei Stelen die Gedenkstätte, auf denen die Namen der Gefallenen aufgelistet sind – auf einer in kyrillischer Schrift, auf einer in den hierzulande gebräuchlichen lateinischen Buchstaben.

Ob das auch für die Hinterbliebenen der 99 Opfer, an die die Gedenkstätte nahe der Gerlingstraße erinnert, gilt, kann man bezweifeln. Schließlich fanden sie den Tod auch, weil der benachbarte Hochbunker, der auch heute noch steht, für Kriegsgefangene tabu war.

Bombenangriffe sollten Kruppanlagen zerstören

„Also gruben sie ihren eigenen Schutzstollen“, erläutert Wagner, die selbst aus Russland stammt. Mit Bildern der zerbombten Essener Innenstadt, zum Beispiel der Limbecker Straße, die noch 1949 verwüstet war, macht sie ihre Erzählungen greifbar.

„Der Grund, dass die Stadt so plattgemacht wurde liegt darin, dass das Krupp-Imperium hier angesiedelt war“, erläutert sie. Das machte die Stadt für die Alliierten zu einem strategisch wichtigen Angriffsziel – und brachte auch den 99 Kriegsgefangenen den Tod. „Sie waren nach dem Angriff so tief verschüttet, dass man nicht alle bergen konnte“, so Wagner. Also ließ man sie am Ende an der Stelle, wo sie den Tod fanden, liegen.