Essen. . Eine Ex-Katholikin darf neben ihrem Ehemann auf dem jüdischen Friedhof beerdigt werden. Dies haben jetzt Richter entschieden, nachdem sich die jüdische Kultus-Gemeinde mehr als drei Jahre energisch geweigert hatte. Ausschlaggebend für die Entscheidung war letztlich ein alter Vertrag.

Die jüdische Kultus-Gemeinde muss auf ihrem Friedhof an der Schulzstraße eine Nicht-Jüdin beerdigen lassen, obwohl sie dies seit über drei Jahren energisch verweigert hat. Dieses Urteil fällte am Freitag das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Wird die Entscheidung rechtskräftig, findet Hildegard Schwarz nach langem Kampf ihrer Stiefkinder Rafaela und Michael endgültig ihre ewige Ruhestätte neben ihrem Mann Josef, mit dem sie 38 Jahre verheiratet war.

Schon mehr als 25 Jahre vor dem Tod des Ehemanns im Jahr 1996 beschäftigte die Eheleute sehr die Frage, wo sie denn gemeinsam nebeneinander bestattet werden könnten. Es gab da nämlich ein großes Problem: Josef Schwarz war Jude, seine Frau Hildegard war eine aus ihrer Kirche ausgetretene Katholikin, aber eben nicht zum Judentum konvertiert. Und Nichtjuden dürfen nach den religiösen Grundsätzen der Juden nicht auf jüdischen Friedhöfen bestattet werden. Schon gar nicht in einer Grabstelle mit einem Juden oder einer Jüdin. Selbst wenn sie Ehepartner waren.

Doch es gibt Ausnahmen von dieser an sich strengen Regel. Nicht nur in Essen, aber eben auch dort. Die frühere Gemeindeleitung war großzügiger, liberaler als derzeit. Das mag damit zu tun haben, dass der damalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Georg Jolles, selber mit einer Nicht-Jüdin verheiratet war. Beide liegen übrigens auch in einer gemeinsamen Gruft auf dem jüdischen Friedhof, in der ersten Reihe bei den Ehrengräbern, wie Michael Schwarz gesehen hat.

Über 40 Jahre alte Ausnahmeregelung

Weil sie unbedingt eine gemeinsame Ruhestätte haben wollten, wandte sich das Ehepaar Anfang der 70er Jahre an die jüdische Gemeinde. Gegen Vorabzahlung von 1000 Mark wurde ihnen 1971 schriftlich versichert, dass sie „ausnahmsweise“ gemeinsam auf dem jüdischen Friedhof an der Schulzstraße beerdigt werden könnten. Anlässlich einer schweren Erkrankung von Josef Schwarz bekräftigte die Gemeindeleitung nach einer Rückfrage 1993 schriftlich noch einmal diese Zusicherung.

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Als Josef Schwarz im August 1996 starb, wurde er in der vereinbarten Gruft bestattet. Im November 2011 starb auch seine Frau Hildegard. Doch sie musste quasi nebenan, auf dem städtischen Parkfriedhof an der Steeler Straße zumindest vorübergehend beerdigt werden, weil die jüdische Kultus-Gemeinde sich unter neuer Leitung weigerte, sie neben ihrem Mann bestatten zu lassen. „Nicht vereinbar mit dem jüdischen Glauben“, lautete die Begründung. Das sei ein „ehernes Gesetz“. Die frühere Gemeindeleitung habe sich da sehr verirrt.

Schriftliche Erklärungen gaben den Ausschlag

Die Kinder von Josef Schwarz, beide aus erster Ehe und beide selber Juden, kämpften sehr für ihre nichtjüdische Stiefmutter. Michael Schwarz nannte vor Gericht seine Motive: Hildegard habe sich für seinen Vater aufgeopfert. Sie habe ihren nach einem Schlaganfall fast komplett gelähmten Mann sechs Jahre allein gepflegt. „Und es war beider Wille, nebeneinander beerdigt zu werden“, bekräftigte er vor Gericht.

Die Richter mussten abwägen zwischen dem jeweils per Grundgesetz geschütztem Recht der Religionsfreiheit (Artikel 4) einerseits und den Rechten der Menschenwürde sowie dem Willen der Verstorbenen (Artikel 1 und 2). Den juristischen Ausschlag gaben aber die beiden schriftlichen Erklärungen der früheren Gemeindeleitung. Daran müsse sich die jetzige Gemeindeleitung als Rechtsnachfolgerin halten. „Sittenwidrig war der Vertrag sicher nicht. Er verstieß auch nicht gegen elementare religiöse Grundsätze“, betonte Vorsitzender Richter Karsten Herfort in der Urteilsbegründung. Denn es gibt auf diesem jüdischen Friedhof mehrere andere Beerdigungen „gemischter Paare“. Die Rede war von neun oder gar 18 Fällen.