Essen. . Seit 46 Jahren baut das Bistum Essen auf der Urlaubsinsel Texel seinen Wohnwagen auf – und bietet dort eine etwas andere Kirche zum Anfassen an. Nicht wenige machen sich im Sommer Sonntagmorgens früh im Ruhrgebiet auf den Weg, um die ungewöhnlichen Gottesdienste zu erleben.

In den Dünen von Texel verliert man sich leicht in Gedanken. Schaut in die stürmische Brandung, vergräbt seine Füße tief im feinen Sand und lauscht den Möwen. Selbst Menschen, die nicht an Gott glauben und die Kirche im Alltag höchstens als architektonische Leuchttürme wahrnehmen, haben auf der holländischen Urlaubsinsel schon zum Wohnwagen der Touristenseelsorge gefunden. Seit 46 Jahren bietet das Bistum Essen in den Dünen von De Koog bereits ihre Seelsorge auf vier Rädern an – trotz steigender Kirchenaustritte daheim mit wachsendem Erfolg auf der Insel.

„Anfangs hat ein Pfarrer hier Urlaub gemacht und wurde von deutschen Touristen angefragt, ob er mit ihnen einen Gottesdienst feiern würde. Danach hat sich das von selbst entwickelt“, sagt Bernd Wolharn, der seit 22 Jahren an Bord ist und als Theologiestudent zum ersten Mal nach Texel kam.

Drei Seelsorgeteams in der Sommersaison

Mitunter fahren manche Essener sonntags morgens um 6 Uhr los, um den Gottesdienst um 11 Uhr auf der Insel zu feiern. „Wir sind hier mitten unter den Urlaubern, da kommt man leicht ins Gespräch“, sagt der 47-Jährige, der in Werden aufwuchs und seit 2007 Pfarrer der Liebfrauen-Pfarrei in Bochum ist. Dass Kirche für ihn mehr ist als starre Liturgie und Sonntagsmesse, bewies Wolharn bereits mit der experimentierfreudigen Jugendkirche Tabgha in Oberhausen, die er ins Leben rief.

Auch auf Texel ist es die lockere Atmosphäre, die Junge und Alte regelmäßig am Campingplatz zusammenbringt. Da wird etwa nach der Sonntagsmesse, die in verschiedenen kleinen Kirchen der Umgebung gefeiert wird, ein Frühschoppen mit Grolsch und Kaffee angeboten. „Die Begegnung zählt“, sagt Wolharn. Die drei Seelsorgeteams pro Saison, die alle drei Wochen wechseln, bestehen dabei jeweils aus drei Ehrenamtlichen und einem Pfarrer. Gemeinsam mit Bernd Wolharn sind in diesem Jahr etwa Theologiestudent Franz Siepmann aus Essen und Julia Scheler, Maskenbildnerin am Grillo, dabei.

"Es ist schön, Kirche anders gestalten zu können"

Bekannt ist der Wohnwagen für sein gut sortiertes Angebot aus Spielen und Büchern, von dem viele Urlauber gern Gebrauch machen. Immer wieder suchen sie aber auch das Gespräch über tiefer gehende Themen. „Im Urlaub haben die Menschen mehr Zeit für sich selbst, machen sich über ihr Leben Gedanken“, hat Wolharn beobachtet. Die Tür zum kleinen Wohnwagen mit der roten Fahne steht dabei fast immer offen, auch für Kreativworkshops mit Kindern.

„Mittlerweile kommen viele, die als Kinder auf Texel waren, selbst mit ihrem Nachwuchs hierher“, sagt Wolharn. Strandsingen in den Dünen, eine Radtour mit Lesungen als holländische Variante der „Extraschicht“, zwanglose Mitmach-Gottesdienste: „Es ist schön, Kirche anders gestalten zu können“, findet Wolharn, für den die drei Wochen Texel zu der „angenehmsten Zeit im Jahr gehören“.