Essen. Wenn Google wie Gursky aussieht und die Familienbilder inmitten einer blühenden Garten-Installation zu sehen sind: Im Museum Folkwang geht es um das künstlerische Nachdenken über die Fotografie.

Wir sehen was, was nach Wirklichkeit aussieht. Aber was sehen wir da wirklich auf all den Bildern, die uns milliardenfach umgeben, digital bearbeitet, ausschnitthaft. „Wir blicken auf das Fenster, nicht auf die Welt“, sagt Fotochef Florian Ebner über die Fotografie, die im Museum Folkwang derzeit im Mittelpunkt steht – und gleichzeitig auch in Frage. „(Mis)Understanding Photografie“, das ist hier eine Einladung zur Befragung des Mediums mit künstlerischen Mitteln. Und eine Bestandsaufnahme der Beschäftigung mit Fotografie seit den 60ern Jahren von Johannes Brus bis Richard Prince. Hochschul-Klassen aus ganz Deutschland sind schon nach Essen gekommen, um sich auf diese kluge, aufschlussreiche und doch amüsante Begegnung mit der Geschichte der Fotografie, ihren Manifesten und Materialversuchen einzulassen, am Übergang vom analogen zum digitalen Bild. Noch bis zum 17. August bleibt Gelegenheit, die Bilder und ihre Bearbeitung besser (miss)zuverstehen.

So mancher Künstler nutzt die großen Vor-Bilder dabei zur Vorlage für eine Demontage der besonderen Art. Florian Freier entzaubert den Bildermagier Andreas Gursky beispielsweise, indem er mit einem Screenshot von Google Earth ein Nachbild von Gurskys berühmten Rennstrecken-Foto „Bahrain I“ vorlegt. Millionenkunst aus dem Internet. Auch Gurskys „Rhein II“, ein Fotokunstwerk, das für über drei Millionen versteigert wurde, erfährt bei Cortin/Sonderegger theoretisch einen rapiden Wertverlust, indem das Bild von einem Studionachbau des Motives abgebildet wurde.

„Mutter Natur“ im Museum

Und selbst mit den Bilderikonen des vergangenen Jahrhunderts wird hemmungslos gespielt. Matthias Wähner lässt sich schon 1994 dank digitaler Bildbearbeitung in die Bilder der Weltgeschichte eingeblendet. Der Kniefall von Warschau, das Attentat auf Kennedy – Wähner ist immer dabei. So lernt man, die sattgesehenen Ikonen der Fotografien noch einmal neu wahrzunehmen.

Selbst legendäre historische Aufnahmen, wie das berühmte Foto des Mädchens, das 1972 vor einer Napalm-Attacke flieht, werden hier mit bösem Witz in ihrer Wirkung hinterfragt. Zbigniew Libera verwandelt die flüchtende Schar in eine schräge Ausflugsgesellschaft.

Heitere Entspannung fürs Auge bietet da Erik Kessels Installation „Mother Nature“: eine Ansammlung von Amateuraufnahmen, umgeben von duftendem Lavendel sprießenden Strelitzien und reichlich Blattgrün. Ein beliebter Hintergrund, wenn Vati zur Kamera griff und Mutti neben Baum, Busch und anderem Strauchwerk ablichtete. Was alle Aufnahmen verbindet: Je welker schon das weibliche Fleisch erscheint, desto üppiger darf die Vegetation wirken.