Essen. In Essen gibt es immer noch eine stationäre Mitfahrzentrale. Doch Inhaber Michael Caspersen vermittelt nur alle paar Wochen mal eine Reise mit dem Auto – das Geschäft ist längst ins Internet abgewandert. Sein Geld verdient er heute vor allem mit dem Verkauf von Fahrkarten.

Auf der Computertastatur von Michael Caspersen liegen einige fremde Geldmünzen. Sie unterscheiden sich in Größe und Färbung, manche haben ein Loch in der Mitte. Auf den ersten Blick lässt sich erkennen, dass keine dieser Münzen aus der Eurozone stammt. Man kann mit ihnen wohl eher in Russland bezahlen, in Polen, in der Türkei oder in Marokko. Michael Caspersen hat die Münzen von seinen Kunden geschenkt bekommen. Sie liegen nun einfach so auf der Tastatur herum, ohne dass er über ihre genaue Herkunft Bescheid weiß.

So international wie die Münzen, sind auch Caspersens Kunden. Er hat sein Büro an der Freiheit, direkt neben dem Eingang zum Parkhaus am Hauptbahnhof. An der Tür hängt ein Schild, in roten Buchstaben steht dort das Wort „Mitfahrzentrale“. Doch Plätze in einem Auto vermittelt Caspersen nur noch ein paar Mal im Jahr. Die stationäre Mitfahrzentrale ist tot, längst abgelöst von viel flexibleren und günstigeren Angeboten im Internet. Sein neues Geschäftsmodell hat Caspersen vom Fenster aus im Blick. Er kann dann beobachten wie gegenüber die Fernbusse rein und raus fahren aus dem vor einigen Jahren angelegten Haltepunkt. Bei ihm gibt es die Tickets für die Fahrt.

Vermittlung von Mitfahrten nur noch im Internet

„Wir verkaufen hier fast nur noch für den Bus“, sagt er. „Die Vermittlung von Mitfahrten hat sich komplett ins Internet verlagert.“ Mitte der 1990er Jahre hat er seinen Laden an der Freiheit eröffnet, Fahrkarten für die rollende Fernreise konnte man bei ihm schon immer kaufen. Doch bis zur Liberalisierung des Fernverkehrsmarktes in Deutschland im vergangenen Jahr, konnte der 59-Jährige nur Tickets für internationale Linien an den Mann bringen. Nach Istanbul, nach Qaraghandy in Kasachstan, nach Tanger – inklusive der Fähre über das Mittelmeer. Einzig nach Berlin fuhr schon immer ein Bus. Seit gut anderthalb Jahren boomt dieses Geschäft nun auf allen Strecken in Deutschland. Von Essen aus kommt man mittlerweile fast in jede Ecke des Landes, dauert halt nur etwas länger als mit der Bahn. Dafür funktioniert die Klimaanlage und der Preis stimmt. Caspersen verkauft vor allem an die Leute, die sich die Fahrkarten nicht im Internet kaufen können oder wollen. Weil sie keine Kreditkarte haben, ihre Daten nirgendwo angeben wollen oder schlichtweg keinen eigenen Computer besitzen. Auch viele Ausländer kommen zu ihm, buchen Tickets für die Reise in die Heimat. Caspersen findet die richtigen Verbindungen. Über Paris und Madrid nach Lissabon. Über München und Mailand nach Rom und Palermo.

Und die lokale Mitfahrzentrale? Hat ihre besten Zeiten schon lange hinter sich. „1986 gab es in Berlin alleine 30 Mitfahrzentralen“, sagt Caspersen. „Heute gibt es sie in kaum noch einer Stadt.“ Der Gesamtverband hat sich vor ein paar Monaten kommentarlos aufgelöst. „Wenn jemand kommt und nach einer Mitfahrgelegenheit fragt, verweise ich ihn an den Bus, der ist viel billiger.“ Obwohl Caspersen noch ein paar Euro Bearbeitungsgebühr draufschlägt. Im Internet gibt es ohnehin haufenweise Angebote für Mitfahrgelegenheiten. Ohne Provision, ohne Vermittler.