Essen. Stefan Hilterhaus ist seit 2002 künstlerischer Leiter auf Pact Zollverein in Essen. Das Haus ist mit seiner ästhetischen Ausrichtung und Arbeitsweise einzigartig in Nordrhein-Westfalen. Pact Zollverein steht für eine kreative Beweglichkeit, die sich nicht nur im Tanz ausdrückt.
Die Perspektive zu verändern, noch einmal anders auf die Dinge zu sehen, gehört zu seinem Berufsideal. Und deshalb steht Stefan Hilterhaus auch sofort auf der Leiter, als es gilt, ein neues Fotomotiv zu finden. Raumerkundung im eigenen Haus, das ist für Hilterhaus eben nichts ungewöhnliches. Dort, wo die Kumpel früher ihre staubigen Klamotten an den Haken hängten, in der Waschkaue der Zeche Zollverein, arbeiten heute Tänzer, Theaterleute, Performer, Choreographen und Medienkünstler. Pact Zollverein steht für eine kreative Beweglichkeit, die sich nicht nur im Tanz ausdrückt. Hier geht es auch ums Neudenken und Anderssehen, ums Hinterfragen von Erwartungen und Brechen von Sehgewohnheiten.
Stefan Hilterhaus ist seit 2002 künstlerischer Leiter dieses experimentierfreudigen Produktionszentrums für die Künste. Als er das Gebäude Anfang der 90er zum ersten Mal betritt, da trägt man noch Helm und Sicherheitsschuhe statt Trainingskluft. Hilterhaus, der gelernte Bootsbauer und studierte Geisteswissenschaftler, Choreograph und Regisseur und ausgebildet in modernem und zeitgenössischem Tanz, ist sofort fasziniert von diesen Orten, „wo der Tanz noch einmal eine andere Kraft, eine besondere Energie“ entwickelt. Dabei muss man ihm, in Köln geboren, aber bei den Großeltern in Mülheim gern zu Gast, das Ruhrgebiet nicht groß erklären.
Plattform für den Austausch
Pact Zollverein, das steht in Kurzform für „Performing Arts Choreographisches Zentrum NRW der Tanzlandschaft Ruhr“. Stadt, Land und die Kultur Ruhr GmbH finanzieren das Projekt.
Pact versteht sich als „Haus für die Kunst“, aber auch als Plattform für den Austausch verschiedener Disziplinen von Tanz und Theater über Kunst und Design bis Wissenschaft.
Als Proben- und Aufführungsraum für regionale und internationale Gäste wird die alte Kaue ebenso genutzt wie für Trainings- und Qualifizierungsprogramme und Hochschul-Projekte.
Und als Leiter der Tanzlandschaft Ruhr beginnt er diesen besonderen Zauber schon Ende der 90er zu entfalten, plant Clubbing Nights und Symposien. Er entwickelt ein Pact-Konzept und will dann weiterziehen. Doch Pact wird zum Langzeit-Projekt, das mit Start der Ruhrtriennale und der Tanzlandschaft-Kooperation neue Ressourcen und Auftrieb bekommen. Heute begrüßt Hilterhaus, der in der ganzen Welt gearbeitet hat, die Welt auf Zollverein.
Rund 30 Künstlergruppen arbeiten pro Jahr in der Kaue, sie schätzen die guten Produktionsbedingungen, die konzentrierte Entspanntheit, die kreative Freiheit an der Bullmannaue. Weltweit umworbene Stars von Choreographin Meg Stuart bis zur Vorzeige-Kompanie Forced Entertainment halten Pact seit Jahren die Treue. Dabei war die Skepsis groß: Kulturelle Avantgarde mitten im Kumpelrandgebiet?! „Viele haben nicht geglaubt, dass das Haus so lange durchhält“, weiß Hilterhaus.
Doch das Publikum ist treu, jung und offen für Arbeiten, die sich jenseits des Mainstreams bewegen. Kultur ist für Hilterhaus eben keine Dienstleistung, sondern „ein Beleuchten von Dingen, die uns interessieren könnten“. Er setzt Spots, ohne ständig alle Scheinwerfer anzuschalten im Ringen um Auslastungszahlen. Hilterhaus möchte „lieber vertiefen statt ständig verbreitern“, setzt auf langfristige Bindung statt kurzfristige Events. Und wer wissen möchte, was auf Pact passiert, der kann das eben auf allen Kontinenten sehen. 400 bis 500 Vorstellungen pro Jahr weltweit haben Zollverein-Wurzeln. „Mit diesem Output“, sagt Hilterhaus, „kann kein Theater konkurrieren.
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