Essen. Die höchste natürliche Erhebung der Emscherzone misst gerade mal 83 Meter und ist Namensgeber des Landschaftsparks zwischen Essen, Gelsenkirchen und Bochum. Obstwiesen, Kornfelder und Ackerflächen gehören genauso dazu wie Kunst auf Kohlehalden.

Zugegeben, es gibt schon höhere Berge, die ich bezwungen habe. Doch der Krayer Mechtenberg ist etwas Besonderes: Der geringen Größe zum Trotz - er misst gerade mal 83 Meter - ist er die höchste natürliche Erhebung der Emscherzone, geformt aus eiszeitlichem Ruhrschotter. Auf seiner Kuppe thront seit 1900 der einzige Essener Bismarckturm, eine verrußte pyramidenförmige Feuersäule, deren Flammen bereits lange erloschen sind. Doch das Beste ist das tolle Panorama: Auf der einen Seite bietet sich ein grandioser Ausblick auf Krays Kirchtürme, die Zeche Bonifacius, und Zollverein, auf der anderen Seite grüßen Schalkes Arena, die Halde Rheinelbe mit ihrer Himmelstreppe und das Wattenscheider Lohrheide-Stadion.

Wir befinden uns quasi im Niemandsland, in dem die Grenzen verschwimmen: Eingeklemmt zwischen Essen, Gelsenkirchen und Bochum-Wattenscheid liegt der Landschaftspark Mechtenberg unweit der Hauptschlagader des Reviers. Die A 40 ist zwar nah, doch vergisst man sie beim Anblick der Obstwiesen, Wäldchen, und Felder augenblicklich. Das ländliche Szenario könnte nicht beschaulicher sein: Sanft wiegen sich die goldenen Ähren im Wind, links grasen Pferde und Schafe auf saftigen Weiden, daneben beugen sich Frauen, bestückt mit Körben und Harken, über Gemüse- und Obstbeete, um die Früchte ihrer Arbeit zu ernten.

Skulptur aus alten Betonblöcken der Kokerei Königsborn

Ein tiefblauer, weiter, mit Cumuluswolken bestückter Himmel überspannt das Gebiet, das in den 1990er Jahren im Rahmen der IBA (Internationale Bauausstellung) durch Baumpflanzungen, Aufforstungen, Rad- und Wanderwege umgestaltet wurde. Typisch für den Emscherraum liegen industrielle und landwirtschaftlich genutzte Landschaften eng beieinander.

Wie der bewirtschaftete Bauernhof Mechtenberg, der an der gleichnamigen Straße liegt. Wer seinen Spaziergang hier beginnt, kann sich erstmal stärken. Im ehemaligen Stall direkt neben dem Bauernhaus, das eher einer Villa Kunterbunt gleicht, wartet ein liebevoll eingerichtetes Café mit Hofladen. Vor seiner Tür riecht es nach Heu, Schweinestall, Sommer und ruft Kindheitserinnerungen an lang entfernte Urlaubstage wach.

Ein paar Meter weiter biegt ein Weg, eingerahmt von Kornfeldern und blühenden Wiesen, vorbei an Bächen und Teichen, Richtung Gelsenkirchen ab. Das „Klangfeld der Steine am Mechtenberg zum Thema Kreuz“, eine In-Installation des Künstlers Thomas Link ist das nächste Ziel. Etwas unspektakulär sind die vier 2,60 Meter hohen Basaltsäulen, die am Fuße des zweiten Berges im Landschaftspark liegen: der Halde Rheinelbe. Gekrönt von der Himmelstreppe, einer Skulptur aus alten Betonblöcken der Kokerei Königsborn, ist sie das künstliche Pendant zum Mechtenberg. Spektakulärer ist dagegen die filigrane, von Otto Frei errichtete Stahlbrücke, die über die stark befahrene B 227 führt. Genau hier hat uns der betonierte Alltag des Reviers wieder fest im Griff.

Götterdämmerung für den Reichskanzler: Die Geschichte des Bismarckturm

Das ist EssenEs ist ein Feuerturm des Typus „Götterdämmerung“, der 1900 zu Ehren des ehemaligen Reichskanzlers auf dem Mechtenberg errichtet wurde. Der Architekt Wilhelm Kreis schuf 1899 (also ein Jahr nach Bismarcks Tod) für einen Wettbewerb der „Deutschen Studentenschaft“ diesen Musterentwurf in Form einer wuchtigen Feuersäule, der bis 1911 deutschlandweit 47-mal mit individuellen Unterschieden ausgeführt und gebaut wurde. Und zwar nur zu einem Zweck: der Heldenverehrung.

Die Studentenschaft hatte die Idee, auf allen Bismarcksäulen Feuerschalen zu installieren, die an bestimmten Tagen zu Ehren des Reichskanzlers in ganz Deutschland brennen sollten. Das funktionierte allerdings nicht, da man sich nicht auf einen Termin einigen konnte.

Die 32.000 Mark, die der aus Basaltlava errichtete, 16,75 Meter hohe Turm kostete, wurden aus Spenden finanziert. Darin enthalten waren das Grundstück, die kupferne Feuerschale, sowie ein Wärterhäuschen. Die beiden letzen sind Vergangenheit - genau wie das Bismarck-Wappen, das am Turm prangte. Wann es wo verloren ging oder zerstört wurde, ist unbekannt. Lange Zeit „dämmerte“ das Bauwerk vor sich hin, bis es mit der Errichtung des Landschaftsparkes wachgeküsst wurde. Wer die Aussicht genießen möchte, muss sich noch gedulden: Sturm Ela hat auch auf dem Mechtenberg gewütet.

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