Essen. Die Steeler Altstadt hatte beeindruckende Architektur - doch Anfang der 1970er Jahre wurden sie für gesichtslose Neubauten abgerissen. Immer noch finden sich bauliche Schätze im Stadtteil an der Ruhr.
Mit seiner über 1000-jährigen Geschichte könnte Steele DAS architektonische Schmuckstück der Stadt sein, wenn... ja wenn nicht die Stadtoberen die verheerende Entscheidung getroffen hätten, den größten Teil der Altstadt unter dem Stichwort „Sanierung“ für das neue Steele-West zu opfern. Das geschah in den späten 1960er und den frühen 1970er Jahren und gilt bis heute als eines der größten städtebaulichen Umstrukturierungsvorhaben in der Bundesrepublik – und als die mit Abstand größte Bausünde Essens. Ganze Straßenzüge aus vorindustriellen Fachwerkhäusern, die wie durch ein Wunder beide Weltkriege unbeschadet überlebt hatten und teilweise unter Denkmalschutz standen, wurden dem Erdboden gleich gemacht.
Was die Abrisswut überstand, führt deutlich vor Augen, wie prachtvoll die Altstadt des 1929 eingemeindeten Steele einst gewesen ist. Viel ist allerdings nicht übrig geblieben: Ein paar Fachwerkhäuser am Graffweg und das Ensemble am Brinkerplatz, das, umringt von gesichtslosen Neubauten, etwas verloren scheint. Drei ineinander verschlungene Ringe prangen auf der schmucken Fachwerkfassade. Die haben nichts mit Krupp zu tun, sondern sind Zeichen der Schmiedegilde, die früher stark in Steele vertreten war, und die immer noch das Wappen der einst eigenständigen Stadt Steele zieren.
Mittelpunkt des urbanen Lebens
Die Steeler Altstadt
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Wenige Schritte sind es von hier bis zum Kaiser-Otto-Platz, der mit seiner Weitläufigkeit und den Bauten aus Gründer- und Jugendstilzeit Mittelpunkt des urbanen Lebens ist. Unter aufgespannten Sonnenschirmen entspannen die „Steelenser“, wie sich die Einwohner nennen, bei Kaffee und Kuchen. Oder sitzen ein paar Ecken weiter beim Italiener, der sich den besten Platz im östlichen Stadtteil ausgesucht hat: Er residiert in der Gasse „Alte Zeilen“, direkt hinter dem mit Ornamenten verzierten Torbogen. Ein Ort, auf den die etwas ausgeleierte Bezeichnung idyllisch durchaus zutrifft.
Wer die Alte Zeilen entlangläuft, landet automatisch beim „Kufo“ wie das Kulturforum im Volksmund heißt. Untergebracht in dem neugotischen Sparkassengebäude von 1897 haben sich seit Anfang der achtziger Jahre die Dependance der Volkshochschule und ein Restaurant mit Biergarten etabliert, das schon lange nicht mehr nur ein Treffpunkt für Junge und Alternative ist.
Das ist EssenDen Stolz der Steelenser auf ihren Stadtteil kann verstehen, wer den Hünninghausenweg sieht: Links und rechts stehen vorbildlich restaurierte Gebäude aus der Gründerzeit in Reih und Glied – eine Straße, wie man sie nur noch selten in der Stadt findet. Gutbürgerlich gibt sich auch der vom Hünninghausenweg abzweigende Joseph-Boismard-Weg mit seinen villenartigen Wohnhäusern, die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut wurden. Mittendrin steht die Mittelschule Steele, die heutige Helene-Lange-Schule. Ein trauriger Anblick zwischen den restaurierten Häusern: An der grau-schmutzigen Fassade des 1912 errichteten Prachtbaus mit vorgelagerten Säulenportal blättert der Putz, hier und da wurde notdürftig ausgebessert, und man fragt sich, ob die Stadt kein Geld für ein paar Eimer Farbe übrig hat. Aber das ist Teil einer anderen Geschichte.
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