Essen. Ende einer Hochzeitsfeier: Als der Vater des Bräutigams bei einer Schlägerei nach der Trauung zu unterliegen drohte, schoss er einem seiner jugendlichen Kontrahenten in den Bauch. Dreiviertel Jahr später sitzen der Bräutigam und sein Vater, ein Bandido, wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.

Seinen Hochzeitstag wird der 27-Jährige aus Frohnhausen so schnell nicht vergessen. Auf dem Heimweg zettelte er mit seinem Vater und dessen Freund in der Essener City eine Schlägerei mit Jugendlichen aus Velbert an, bei der sein 47 Jahre alter Vater, ein Altendorfer, plötzlich eine Pistole zog und schoss.

Zerknirscht wirken die drei Angeklagten am Dienstag vor XVI. Strafkammer am Landgericht Essen. Beim Hauptangeklagten, der lange Zeit selbstständig ein Cafe leitete, erinnert nur wenig daran, dass er seit vielen Jahren Mitglied bei den Bandidos ist. Auch sein Sohn, der in der IT-Branche arbeitet, wirkt nicht wie ein Schläger. Der 52 Jahre alte Freund aus Wilhelmshaven, ein Straßenbauer, bringt es als dritter Angeklagter auf den Punkt: „Hätte ich vorher gewusst, wie es endet, hätte ich nicht mitgemacht.“

Geohrfeigter Bräutigam rief seinen Vater

Harmonisch war die Hochzeitsfeier am 12. Oktober im Pfarrsaal von St. Gertrudis in der City ausgeklungen. Nachdem sie aufgeräumt hatten, setzten sich die Brautleute kurz nach Mitternacht ins Auto, die Frau am Steuer. Laut Anklage fuhr sie dabei versehentlich eine Gruppe Jugendlicher aus Velbert, die in der City getrunken hatte, fast an. Erbost soll einer der 17, 18 Jahre alten Velberter aufs Auto geschlagen haben. Der Bräutigam stieg aus, stellte sie laut zur Rede und bekam eine Ohrfeige. Danach zogen die Jugendlichen weiter.

Das hätte es gewesen sein können. Doch der Bräutigam rief seinen Vater an, der kurz zuvor mit anderen Hochzeitsgästen weggefahren war. „Er sagte, dass er überfallen und geschlagen wurde“, erzählt der angeklagte Vater. Sofort steuerten sie die Kreuzeskirchstraße an, wo der Sohn wartete. Aus dem Kofferraum bewaffneten sie sich mit einer Stabtaschenlampe und einem Axtstiel. Richter Jens Lazarz wundert sich, dass nur ein Stiel, nicht aber eine komplette Axt, im Auto lag, bekam aber keine befriedigende Antwort.

Alle Kontrahenten trugen Blessuren bis hin zu Brüchen davon

Vater, Sohn und der Freund setzten den Jugendlichen nach. „Warum schlägst Du mein Kind?“, fragte der Vater einen der Velberter. Ohne die Antwort abzuwarten, soll er ihn mit der Faust ins Gesicht und mit der Taschenlampe vors Knie geschlagen haben. Doch die Jugendlichen wehrten sich, der Wilhelmshavener verlor im Kampf sogar den Axtstiel und wurde selbst geschlagen. Als der Bandido samt Sohn und Freund zu verlieren drohte, zog er seine Pistole und schoss einem der Jugendlichen in den Bauch. Dann flüchteten sie.

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Alle Kontrahenten trugen Blessuren bis hin zu Brüchen davon. Schnelle ärztliche Hilfe rettete das Leben des angeschossenen 17-jährigen. Dem Schützen unterstellte aber nicht einmal die Staatsanwaltschaft Tötungsabsicht, schließlich hätte er erneut schießen können.

Widersprüchliche Aussagen bei der Polizei und vor Gericht

Der 47-Jährige beruft sich zwar nicht auf Notwehr, er will sich aber bedroht gefühlt haben, so dass er zur Waffe griff. Zur Warnung will er einmal in die Luft geschossen haben, bevor er aufs Bein des Jugendlichen gezielt haben will. Die beiden anderen Angeklagten wollen von der Schusswaffe nichts gewusst haben.

Im Grunde waren sie schon bei der Polizei geständig. Vor Gericht schränken sie ihre früheren Aussagen zum Teil ein. Etwa der Wilhelmshavener, der bei der Polizei noch gesagt hatte, sie hätten die Jugendlichen für die Ohrfeige bestrafen wollen. Vor Gericht betont er dagegen, sie hätten die Gruppe „zur Rede stellen“ wollen. Richter Lazarz zweifelt das an. Der 52-Jährige bleibt dabei: „Denn bei der Polizei stand ich unter Schock.“