Essen. Als Chargesheimers Ruhrgebiets-Bildband 1959 in Essen für Aufruhr sorgte, war WAZ-Fotografin Marga Kingler-Busshoff dabei. Das Ruhr Museum zeigt die Fotos in der Ausstellung „Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets“, in der auch Kingler-Busshof einen Ausstellungsraum bekommen hat.
Wenn man mit Marga Kingler-Busshoff das Ruhr Museum besucht, dann beginnen die Bilder rasch zu erzählen. Jahrzehnte hat die legendäre Essener Bildjournalistin als WAZ-Fotografin das Leben in der Stadt begleitet. Ihre Bilder sind bewegende Dokumente der Stadt- und Zeitungsgeschichte und längst Bestandteil des Bildarchivs im Ruhr Museum mit seinen Millionen Negativen. So kommt es, dass Kingler-Busshoff in der aktuellen Chargesheimer-Schau des Ruhr Museums auch einen eigenen Ausstellungsraum bekommen hat. Er zeigt, was Bilder damals wie heute auslösen können: starke Reaktionen, Emotionen, sogar heftige Kontroversen.
Keiner hat wohl je solchen Wirbel ausgelöst wie der Kölner Fotograf Chargesheimer, der mit seinem Bildband „Im Ruhrgebiet“ Ende der 1950er Jahre einen legendären Streit über das Image-Bild des Ruhrgebiets entfacht, über Wahrheit und Wahrnehmung. Essens Oberbürgermeister Wilhelm Nieswandt schreibt empört an den Verleger Joseph Caspar-Witsch. Er beklagt „trostlose Landschaften, grauenerregende Wohnhöhlen, finstere, schmutzige Siedlungen“. Andere Ruhrgebiets-Vertreter bemängeln „pessimistische Voreingenommenheit“ und „beispiellose Einseitigkeit“. Einheitlicher Tenor: „Wo bleibt da bitte das Positive?
Im Februar 1959 kommen Chargesheimer und der Autor Heinrich Böll sogar zu einer Diskussionsveranstaltung ins Kettwiger-Tor-Haus. Marga Kingler ist natürlich dabei und hält den Moment für die WAZ fest. „Gymnasiasten, Arbeiter, Studenten, Angestellte, hübsche Teenager“, sind nach Chronisten-Angaben vor allem gekommen. In der Minderzahl: „Gewerkschaftsfunktionäre, städtische Beamte“. Auch OB Nieswandt fehlt. Herausgeber Witsch beklagt „organisiertes Missfallen“. Chargesheimer sagt einfach: „Das Buch habe ich den darin abgebildeten Menschen gewidmet, nicht den Oberbürgermeistern, die dadurch ihre fleißige Verwaltungsarbeit geschmälert sehen.“
Als erste Frau in die Deutsche Gesellschaft für Fotografie berufen
„Im Ruhrgebiet“ wird ein Klassiker, der Sinnbilder der Arbeit zeigt und des Alltags zwischen Aufbruch und den noch allgegenwärtigen Ruinen des Krieges, der Kontraste so scharf zieht, dass sie manchem tief ins Gemüt schneiden, während andere einen Fotografen „mit Seele und Menschenkenntnis“ bei der Arbeit sehen.
Panorama des alten Ruhrgebiets
Die Ausstellung „Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets“ ist bis zum 18. Januar 2015 im Ruhr Museum auf der Zeche Zollverein zu sehen.
200 vergrößerte Schwarzweiß-Aufnahmen zeigen ein Panorama des alten Ruhrgebiets. Eintritt 6/erm. 4 €. Öffnungszeiten täglich von 10 bis 18 Uhr.
Bei seinen Fotografen-Kollegen aus dem Ruhrgebiet wie Altmeister Willy van Heekern hat Chargesheimer damals gar nicht so starke Reaktionen hervorgerufen, erinnert sich Marga Kingler-Busshoff. „Die haben eher mit den Schultern gezuckt. Wenn man im Ruhrgebiet groß geworden war, war das doch nichts Besonderes“, erinnert sich die heute 83-Jährige, die als erste Frau in die Deutsche Gesellschaft für Fotografie berufen wurde und deren Bilder von der Region und ihren Menschen heute in Fotobüchern und auf Postkarten von einer großen Zeit der Fotografie erzählen. „Man konnte damals tolle Bilder machen“, sagt Marga Kingler-Busshoff: „Und Chargesheimer hat das genutzt.“