Essen. . Moritz Stoffelshaus ist gelernter Elektriker. Tagsüber führt der 24-Jährige Sicherheitsüberprüfungen an Maschinen durch, abends und nachts greift er zur Kamera - um präsent zu sein, wenn es irgendwo in Essen brennt oder kracht. Es ist ein Hobby, bei dem Glück und Pech eng beieinander liegen.

Wenn das kein Omen ist: Moritz Stoffelshaus ist gerade eingezogen in seine neue Wohnung an der Altenessener Straße, da knallt es am späten Sonntagabend des 29. September 2013 in Höhe der Hausnummer 477 - nur ein paar Meter entfernt. Ein Geisterfahrer ist frontal mit einem entgegen kommenden Opel zusammengestoßen.

Stoffelshaus rennt auf die Straße, die Kamera in der Hand, und fotografiert, wie das Unfall-Opfer von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug geschnitten wird. „Man sollte schon einen starken Magen haben. Das ist nicht für jeden was“, sagt der 24-Jährige, als er sich das Material vom Unfall noch einmal anschaut.

Stoffelshaus war in seiner Heimatstadt Hattingen bei der Freiwilligen Feuerwehr, als Truppmann, Gerätewart und Maschinist. Weil bei der Wehr in Essen härtere Bedingungen gelten, hat der 24-Jährige umgesattelt: Kamera gegen Wasserschlauch, wenn es irgendwo brennt. Zum Beispiel bei seinem ersten dicken Einsatz: In der Neujahrsnacht 2013 ist Stoffelshaus auf der Straße unterwegs. Warten, dass etwas passiert. Über Stunden. Dann fängt der Irish Pub im Oberhausener Centro Feuer, vermutlich durch einen Silvesterknaller, später hat Stoffelshaus die Fotos im Kasten, als das Reetdach der Event-Kneipe in Flammen steht und schließlich niederbrennt.

„Andere gehen abends kegeln oder auf ein Konzert“

Im Außendienst unterwegs ist Stoffelshaus auch im realen Leben: Als Elektriker führt der 24-Jährige sogenannte BGV A 3 Sicherheitsüberprüfungen durch, an Fernsehern, Monitoren, Bohrmaschinen, „an allem, was einen Stecker hat“, sagt Stoffelshaus: „Ein schöner Job. Auf den Bau möchte ich nicht mehr zurück.“ Da hat der Essener einst gelernt. Die (Nacht-)Fotografie ist sein Ausgleich: „Ich mache das für mich. Andere gehen abends kegeln oder auf ein Konzert. Ich lebe mein Hobby so aus.“ Lange Nächte im Auto gehören für Stoffelshaus dazu.

Familiendramen und Großbrände

Februar 2014: In einem Kleingarten in Essen entdeckt die Polizei die Leiche der vermissten Madeleine W. aus Gelsenkirchen. Ihr Stiefvater und ihr Stiefbruder stehen im Verdacht die junge Frau getötet zu haben.
Februar 2014: In einem Kleingarten in Essen entdeckt die Polizei die Leiche der vermissten Madeleine W. aus Gelsenkirchen. Ihr Stiefvater und ihr Stiefbruder stehen im Verdacht die junge Frau getötet zu haben. © Moritz Stoffelshaus
November 2013: Eine 24 Jahre alte Frau ist in Essen-Altendorf absichtlich mit einem Citroen angefahren und schwer verletzt worden. Ein Beziehungsstreit ist offenbar der Hintergrund der Auto-Attacke. Das Opfer ist die Schwägerin des 38-Jährigen, der den Wagen gesteuert haben soll. Seine 27-Jährige Frau wollte sich wohl von ihm trennen, zwischen den Eheleuten kam es zum Streit, an dem sich weitere Familienangehörige beteiligten
November 2013: Eine 24 Jahre alte Frau ist in Essen-Altendorf absichtlich mit einem Citroen angefahren und schwer verletzt worden. Ein Beziehungsstreit ist offenbar der Hintergrund der Auto-Attacke. Das Opfer ist die Schwägerin des 38-Jährigen, der den Wagen gesteuert haben soll. Seine 27-Jährige Frau wollte sich wohl von ihm trennen, zwischen den Eheleuten kam es zum Streit, an dem sich weitere Familienangehörige beteiligten © Moritz Stoffelshaus
Moritz Stoffelshaus ist gerade eingezogen in seine neue Wohnung an der Altenessener Straße, da knallt es am späten Sonntagabend des 29. September 2013 in Höhe der Hausnummer 477 - nur ein paar Meter entfernt. Ein Unfall-Opfer wird dabei in seinem Fahrzeug eingeklemmt.
Moritz Stoffelshaus ist gerade eingezogen in seine neue Wohnung an der Altenessener Straße, da knallt es am späten Sonntagabend des 29. September 2013 in Höhe der Hausnummer 477 - nur ein paar Meter entfernt. Ein Unfall-Opfer wird dabei in seinem Fahrzeug eingeklemmt. © Moritz Stoffelshaus
Mai 2013: Ein unbekannter Täter hat in Mönchengladbach einen Juwelier überfallen und Edelsteine im Millionenwert erbeutet. Wie die Polizei mitteilte, hielt der Juwelier aus der Schweiz am Abend mit seinem Auto an einer Ampel, als ein Mann in Lederjacke und Motorradhelm das Autofenster einschlug, Reizgas ins Innere sprühte und eine Tasche mit Juwelen aus dem Auto griff.
Mai 2013: Ein unbekannter Täter hat in Mönchengladbach einen Juwelier überfallen und Edelsteine im Millionenwert erbeutet. Wie die Polizei mitteilte, hielt der Juwelier aus der Schweiz am Abend mit seinem Auto an einer Ampel, als ein Mann in Lederjacke und Motorradhelm das Autofenster einschlug, Reizgas ins Innere sprühte und eine Tasche mit Juwelen aus dem Auto griff. © Moritz Stoffelshaus
Ein Polizeibeamter untersucht den Wagen des Überfallenen. Der Täter flüchtete unerkannt. Die Polizei leitete eine Ringfahndung ein - zunächst ohne Erfolg.
Ein Polizeibeamter untersucht den Wagen des Überfallenen. Der Täter flüchtete unerkannt. Die Polizei leitete eine Ringfahndung ein - zunächst ohne Erfolg. © Moritz Stoffelshaus
Mai 2013: In Gladbeck ersticht im Mai des vergangenen Jahres ein 18-Jähriger seinen 17-jährigen Bruder. Zuvor hatte es einen Streit zwischen den beiden in der elterlichen Wohnung gegeben.
Mai 2013: In Gladbeck ersticht im Mai des vergangenen Jahres ein 18-Jähriger seinen 17-jährigen Bruder. Zuvor hatte es einen Streit zwischen den beiden in der elterlichen Wohnung gegeben. © Moritz Stoffelshaus
Den Täter kann die Polizei nach mehrstündiger Flucht im Gartenhaus der Familie festnehmen. Der damals 18-Jährige wurde später vom Essener Landgericht in die geschlossene Psychiatrie geschickt.
Den Täter kann die Polizei nach mehrstündiger Flucht im Gartenhaus der Familie festnehmen. Der damals 18-Jährige wurde später vom Essener Landgericht in die geschlossene Psychiatrie geschickt. © Moritz Stoffelshaus
Auf der Autobahn A 40 fängt ein mit Fans von Werder Bremen besetzter Bus Feuer.
Auf der Autobahn A 40 fängt ein mit Fans von Werder Bremen besetzter Bus Feuer. © Moritz Stoffelshaus
Von Autofahrern ist der Busfahrer zuvor auf den Rauch am Heck aufmerksam gemacht worden.
Von Autofahrern ist der Busfahrer zuvor auf den Rauch am Heck aufmerksam gemacht worden. © Moritz Stoffelshaus
Der Fahrer stoppt den Bus in Höhe der Anschlussstelle Essen-Kray.
Der Fahrer stoppt den Bus in Höhe der Anschlussstelle Essen-Kray. © Moritz Stoffelshaus
Die Feuerwehr versucht, der Flammen Herr zu werden.
Die Feuerwehr versucht, der Flammen Herr zu werden. © Moritz Stoffelshaus
Glück im Unglück hatten die Anhänger von Werder Bremen.
Glück im Unglück hatten die Anhänger von Werder Bremen. © Moritz Stoffelshaus
Sie konnten sich über die nahegelegene Auffahrt auf die Krayer Platte in Sicherheit bringen.
Sie konnten sich über die nahegelegene Auffahrt auf die Krayer Platte in Sicherheit bringen. © Moritz Stoffelshaus
Die Essener Feuerwehr konnte den Brand schnell löschen.
Die Essener Feuerwehr konnte den Brand schnell löschen. © Moritz Stoffelshaus
Die Bremer Fans setzen ihre Reise zum Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf mit einem Ersatzbus fort.
Die Bremer Fans setzen ihre Reise zum Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf mit einem Ersatzbus fort. © Moritz Stoffelshaus
Brandursache ist offenbar ein technischer Defekt.
Brandursache ist offenbar ein technischer Defekt. © Moritz Stoffelshaus
Die Feuerwehr war mit 50 Kräften im Einsatz.
Die Feuerwehr war mit 50 Kräften im Einsatz. © Moritz Stoffelshaus
Januar 2013: Nach einer Bombendrohung unter der Islamisten-Hotline des Bundesamtes für Verfassungsschutz räumt Polizei das Rhein-Ruhr-Zentrum.
Januar 2013: Nach einer Bombendrohung unter der Islamisten-Hotline des Bundesamtes für Verfassungsschutz räumt Polizei das Rhein-Ruhr-Zentrum. © Moritz Stoffelshaus
Tausende Besucher sind betroffen. Am Einkaufscenter steigt an diesem Tag ein großer Trödelmarkt. Um keine Panik auszulösen, ist in den offiziellen Durchsagen im RRZ von einem
Tausende Besucher sind betroffen. Am Einkaufscenter steigt an diesem Tag ein großer Trödelmarkt. Um keine Panik auszulösen, ist in den offiziellen Durchsagen im RRZ von einem "technischer Defekt" die Rede. © Moritz Stoffelshaus
Um 19 Uhr am Abend gibt die Polizei Entwarnung: Es wurde nichts Verdächtiges gefunden.
Um 19 Uhr am Abend gibt die Polizei Entwarnung: Es wurde nichts Verdächtiges gefunden. © Moritz Stoffelshaus
In der Neujahrsnacht 2012/2013 fängt der Irish Pub im Oberhausener Centro Feuer.
In der Neujahrsnacht 2012/2013 fängt der Irish Pub im Oberhausener Centro Feuer. © Moritz Stoffelshaus
Ursache war vermutlich ein Feuerwerkskörper.
Ursache war vermutlich ein Feuerwerkskörper. © Moritz Stoffelshaus
Schon beim Eintreffen der Feuerwehr stand das Reetdach im Vollbrand.
Schon beim Eintreffen der Feuerwehr stand das Reetdach im Vollbrand. © Moritz Stoffelshaus
Der Irish Pub wurde Monate nach dem Feuer abgerissen.
Der Irish Pub wurde Monate nach dem Feuer abgerissen. © Moritz Stoffelshaus
Die Tatort-Fotografie soll ein Hobby bleiben, im normalen Berufsleben ist Moritz Stoffelshaus Elektriker.
Die Tatort-Fotografie soll ein Hobby bleiben, im normalen Berufsleben ist Moritz Stoffelshaus Elektriker. © Jörg Schimmel
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Als „learning by doing“ beschreibt Stoffelshaus sein Lernprinzip. In seinen Anfangstagen hat er die Kamera-Automatik noch über Schärfe und Blende entscheiden lassen, mittlerweile regelt er das manuell. Und natürlich hilft es auch, den fotografierenden Kollegen über die Schulter zu schauen, die sich neben ihm an Tatorten tummeln: „Man guckt sich viel von anderen ab“, sagt der 24-Jährige.

Glück und Pech eng beisammen - die SD-Karte steckt noch im Computer 

Stoffelshaus hat sich ein Hobby ausgesucht, bei dem Glück und Pech eng beisammen liegen. Und oft basiert sein Glück auf dem Unglück anderer. Glück hat der 24-Jährige im Mai des vergangenen Jahres, als er einen Tipp von einem befreundeten Fotografen bekommt: Stoffelshaus fährt nach Gladbeck und ist abends vor einer Gartenlaube, aus der Polizisten einen 18-Jährigen abführen, der Stunden vorher seinen ein Jahr jüngeren Bruder in der elterlichen Wohnung erstochen hat. Pech hat Stoffelshaus, als er eines Tages nach Hause kommt und zwei Straßen weiter einen Feuerschein sieht. Der 24-Jährige fährt hin und stellt fest, dass er die Kamera zu Hause vergessen hat. Er holt sie, fährt wieder hin und merkt jetzt, dass die SD-Karte noch im Computer steckt. Eine dritte Anfahrt gibt es nicht. Es ist ja auch „nur“ ein Hobby und in dem Moment hat Stoffelshaus so gar keine Lust mehr darauf: „Aus Fehlern lernt man“, sagt der 24-Jährige. Eine SD-Karte zur Sicherheit trägt er seitdem in seinem Portemonnaie.

Stoffelshaus hat ein Hobby, mit dem sich zum normalen Job auch ein paar Cent dazuverdienen lassen. Er hat ein Kleingewerbe angemeldet, mit zwei Freunden betreibt er MOE Photography. Wobei: Natürlich kann Stoffelshaus Fotos von einem mit Werder Bremen-Fans besetzten Reisebus im Vollbrand auf der A 40 verkaufen. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass er seine Bilder gratis gegeben hat, allein damit der Name in den Medien auftaucht. Deshalb macht er auch keine Bombenentschärfungen mehr. Zu zeitaufwändig, zu wenig lukrativ. Es kommt auch vor, dass er über Wochen keinen Einsatz fährt. Es soll ein Hobby bleiben, ein Umsteigen kommt nicht in Frage, da ist Stoffelshaus pragmatisch: „Der Job ist wichtiger, der füllt den Kühlschrank.“