Essen. . Bruno Neumann ist fast 40 Jahre lang bei der IG Metall Essen tätig. Ende des Monats geht der 65-Jährige in den Ruhestand. Im Interview erzählt er von seinen zukünftigen Plänen und zieht beruflich wie privat Bilanz seiner langen Amtszeit.

Er gehört mit allem Respekt zu den Urgesteinen der IG Metall: Ende Juni geht Bruno Neumann nach 20 Jahren an der Spitze der Gewerkschaft in Essen in den Ruhestand. Am Mittwoch wurde er bei einer bewegenden Feier im Gewerkschaftshaus in der Teichstraße verabschiedet. Neben führenden Gewerkschaftsvertretern wie IG-Metall-Chef Detlef Wetzel waren auch seine Frau Brigitte, die aufgrund einer Erkrankung auf einen Rollstuhl angewiesen ist, und Tochter Nicole dabei. Janet Lindgens sprach mit Bruno Neumann darüber, was jetzt nach dem Gewerkschafterleben kommt.

Herr Neumann, Sie sind am Montag 65 Jahre geworden und trotzdem waren Sie an dem Tag bei Siemens auf der Betriebsversammlung...

Bruno Neumann: Nun, ursprünglich sollte die Versammlung am Tag meiner Verabschiedung stattfinden, dann wurde sie auf den 2. Juni verschoben. Dann bin ich eben hin. Ich habe in den Jahren viele private Dinge zurückstehen lassen müssen, zu Lasten meiner Frau Brigitte und meiner Tochter Nicole.

Bereuen Sie das heute manchmal?

Neumann: Aufgrund unserer sozialpolitischen Einstellung in unserer Familie ging es häufig nicht anders. Meine Frau akzeptierte das. Aber ich gebe zu, dass ich häufig ein schlechtes Gewissen hatte. Deshalb werde ich jetzt eine kleine Rentnergruppe bilden. Die Gruppe heißt: Brigitte und Bruno Neumann.

Und was hat sich die Rentnergruppe Neumann vorgenommen?

Neumann: Erstmal abschalten, erstmal vieles nachholen mit meiner Frau. Wir wollen Tages- und Kurzreisen machen – in Deutschland, im Ruhrgebiet, im Sauerland.

Bruno Neumanns Werdegang

Bruno Neumann wurde 1949 in Horsbüll in Schleswig-Holstein geboren. Seine Eltern stammten aus Ostpreußen und ließen sich nach dem Krieg zunächst dort nieder, zogen später aus beruflichen Gründen ins Ruhrgebiet.

Am 1. April 1964 begann Bruno Neumann seine Lehre als Dreher in den Krupp-Maschinenfabriken. Damit begann auch seine Mitgliedschaft und seine Karriere in der Jugendorganisation der IG Metall.

Im Oktober 1975 wurde er politischer Sekretär bei der IG Metall in Essen und war damit hauptamtlich für die Gewerkschaft tätig. 1993 folgte er Karl-Heinz Völker als Erster Bevollmächtigter nach.

Bruno Neumann ist seit 1970 verheiratet, hat eine Tochter und eine 20-jährige Enkeltochter.

Sie sollen eine besondere Liebe zur Ostsee haben.

Neumann: Wir fahren seit über 30 Jahren jedes Jahr nach Kellenhusen. Das ist unser zweites Zuhause. Auch dieses Jahr geht es wieder dorthin, ein Termin steht aber noch nicht. Die Kollegen hier in der Verwaltungsstelle haben mir und meiner Frau einen Gutschein für das Café „Daggi“ in Kellenhusen geschenkt. Dort gehen wir regelmäßig hin, auch mal auf ein Bier oder ein Glas Sekt. Über das Geschenk haben wir uns sehr gefreut.

Wenn man fast 40 Jahre hauptamtlich bei der IG Metall tätig war und 20 Jahre an der Spitze stand – mal ehrlich, wie schwer fällt dann der Abschied?

Neumann: Das ist schon sehr emotional besetzt. Im Moment kann ich das alles noch gar nicht richtig einschätzen. Ich bin erst seit ein paar Tagen zu Hause. Mir wird es mit Sicherheit am Anfang fehlen. Aber eines werde ich auf keinen Fall tun: Nämlich als alter Besserwisser auftreten und dann dem Neuen sagen, was er alles falsch macht.

Wie werden Sie der IG Metall verbunden bleiben?

Neumann: Erstmal als ganz einfaches zahlendes Mitglied. Irgendwann werde ich zu den Seniorenvorstandssitzungen kommen. Aber wie gesagt, erstmal mach ich Familie mit meiner Frau.

Was würden Sie als Ihren größten Erfolg bezeichnen?

Neumann: Spontan würde ich sagen: das gemeinsame Gewerkschaftshaus in der Teichstraße. Und auch die Tatsache, dass in der Vergangenheit zwar viel Personal in den Unternehmen abgebaut wurde aber in der Regel ohne betriebsbedingte Kündigungen.

Was war für Sie die größte Niederlage?

Neumann: Die Stilllegung von AEG Kanis mit zum Schluss 400 Arbeitsplätzen, die aus meiner Sicht nicht hätte sein müssen.

Wie lautete Ihre Maxime?

Neumann: Ich habe stets eine Philosophie gehabt: Man soll Menschen die Wahrheit sagen, auch wenn sie weh tut. Denn wenn man erst überlegen muss, wen hab ich wann wie oft belogen, dann hat man schon verloren.