Essen. Der Essener Verein „Urban Mining“ ist eine Art Denkfabrik, die sich der Frage widmet: Wie können in Zukunft wichtige Rohstoffe zurückgewonnen werden? Auch beim Kongress im Juni, den der Verein organisiert, geht es um das Thema Rohstoffsicherheit. Auch Essener Firmen sind beteiligt.

Norbert Reidick ist Schatzgräber. Nicht so einer, der mit Schaufel, Hacke, Karte und jeder Menge Geschichten und Verschwörungstheorien im Kopf loszieht. Reidicks Objekt der Begierde ist der Müll der Stadtgesellschaft. Aber auch dort wühlt er nicht in den Hinterlassenschaften der Wohlstandsgesellschaft, er ist Schatzgräber vom Schreibtisch aus.

Und der steht mitten in Rüttenscheid in der Hedwigstraße, Haus Nr. 20. Dort sitzt der Verein „Urban Mining“, ein Netzwerk aus über 40 Experten – über ganz Europa verteilt – das sich mit der Frage beschäftigt: „Wie können Rohstoffe aus dem Müll einer Stadt zurückgewonnen werden?“ Reidick ist Vorstand des Vereins, der für seinen Ansatz dieses Jahr auch mit dem Preis „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ geehrt wurde.

Thema Rohstoffrückgewinnung gewinnt an Aktualität

Allein sich darüber Gedanken zu machen, wie beispielsweise Handys oder andere Elektrogeräte ausgeschlachtet und wieder in den Rohstoffkreislauf zurückkommen, würde die Arbeit von Reidick und seinen Mitstreitern zu kurz fassen. Ihre Vision geht weiter: „Man muss beispielsweise die gesamte Infrastruktur einer Stadt als Ressource begreifen. Allein, wenn man bedenkt wie viel Stahl, Glas, Kupfer oder Glasfaser im Laufe der Jahrzehnte in Essen verbaut wurden.“ Unter anderem schlägt der Verein Städten vor, ein Ressourcenkataster zu führen.

Das Thema Rohstoffrückgewinnung gewinnt an Aktualität, und das nicht erst seit die Chinesen immer stärker die Hand über ihren seltenen Erden halten oder Länder wie Russland mit ihren „Rohstoff-Muskeln“ spielen. Um Rohstoffe wird weltweit ein Wirtschaftskrieg geführt. Umso wichtiger ist es, dass rohstoffarme Länder wie Deutschland sich unabhängiger machen.

4. „Urban Mining“ Kongress

Und da kommt auch Reidicks Verein ins Spiel. In wenigen Tagen, am 11. und 12. Juni, lädt er Forscher und Experten zum 4. „Urban Mining“ Kongress in die Messe Essen, die sich zu diesem Thema austauschen und wo auch 28 aktuelle Forschungsprojekte des Bundesforschungsministeriums bei einem Statusseminar vorgestellt werden. Sie alle beschäftigen sich mit Technologien zur Rückgewinnung strategischer Metalle und Mineralien. Darunter finden sich auch einige bekannte Essener Namen, wie die Uni Duisburg-Essen, das Entsorgungsunternehmen Harmuth, Evonik und die Emschergenossenschaft, die in entsprechende Forschungsvorhaben eingebunden sind.

Auf die Bedeutung des Themas „Urban Mining“ sind mittlerweile auch andere aufmerksam geworden und wollen die wachsende Bekanntheit des Vereins nutzen. So hat die Stadt Essen bei ihrer Bewerbung um den Titel „European Green Capital“ die Urban Miner auch gerne mitaufgenommen.

Forschungsbeispiele: Warum im Klärschlamm mehr steckt

Die Klärschlämme, die bei der Emschergenossenschaft anfallen, könnten sich zukünftig als „Goldgrube“ erweisen. Das Wasserunternehmen arbeitet mit Forschern daran, wie man mehr aus den Schlämmen herausholen kann, statt sie nur zu verbrennen. Die Idee: In den Schlämmen steckt viel Phosphor, der fürs Düngen gebraucht wird. Noch ist zu heutigen Marktpreisen eine Rückgewinnung des Pflanzennährstoffs Phosphor aus Klärschlämmen und Klärschlamm-Aschen noch nicht wirtschaftlich. Deshalb arbeiten die Forscher mit dem Unternehmen daran, ein Zwischenlager-Konzept für solche Aschen zu entwickeln. Dort könnte der Phosphor so lange „gespeichert werden“, bis eine Technologie wirtschaftlich wäre und ein bundesweites Recycling-Management funktioniert.

Auch der Essener Entsorger Harmuth ist in ein Rohstoffprojekt eingebunden. Dabei geht es um die Erforschung und Erprobung eines neuen Verfahrens für die Rückgewinnung von Zinn und Kupfer. Die Rohstoffe fallen in so genannten Stripperlösungen bei der Herstellung von Leiterplatten an. Harmuth arbeitet hier mit der BECE Leiterplatten-Chemie aus Rheinland-Pfalz zusammen