Essen. Bauarbeiter aus aller Herren Länder, die für den zweiten Bauabschnitt des Thyssen-Krupp-Quartiers in Essen schuften, warten teilweise seit Wochen auf ihren verdienten Lohn. Der Geschäftsführer des Subunternehmers, der sie beschäftigt, sagt die Vorwürfe seien „nicht so verkehrt“, aber es gäbe Gründe.
Europa wächst zusammen, das schreiben sie jetzt überall auf die Plakate, und für Enrique de Toro stimmt das ja auch, irgendwie: 1.545 Kilometer Luftlinie entfernt von seiner spanischen Heimatstadt Toledo hat der Bauunternehmer in Essen gute Arbeit gefunden: Trockenbau für den zweiten Bauabschnitt des Thyssen-Krupp-Quartiers, ein lohnender Auftrag.
Wenn man denn seinen gerechten Lohn bekommt, aber genau das ist das Problem. Keinen Cent hat de Toro erhalten, obwohl er und sieben seiner Leute wochenlang geschuftet haben, und wer das nicht glaubt, muss die anderen fragen, die inzwischen die Nase voll haben: Enrique Vargas oder die zwei Italiener Matteo Pellegrino und Robert Jovic, die vorhin vors Baustellentor gezogen sind, mit den letzten Cents in der Tasche, um dort verzweifelt um Hilfe zu bitten. „Komm mir bloß nicht ohne Geld zurück“, hat einer von seiner Frau per SMS auf den Weg bekommen.
Nur wenige schalten den Anwalt ein
Das ist leichter gesagt als getan, denn um des Thyssen-Krupp-Quartiers zweiten Teil zu errichten, sind die Firmen Papenburg und Bilfinger als Arbeitsgemeinschaft im Geschäft, die wiederum die Münsteraner Firma Cobau anheuerten, die wiederum Subunternehmer en masse beschäftigt.
Und Cobau, so sagen die Spanier und Italiener, fand immer neue Ausreden, die geleistete Arbeit nicht zu bezahlen. Warum sie nicht früher Lunte rochen? „Wir haben dem Vorarbeiter vertraut“, sagt Enrique Vargas, aber immer gab es neue Ausreden, „immer hieß es: morgen, morgen, morgen.“
Über dieses „morgen, morgen“, seien andere in die Pleite geschlittert, Trockenbaufirmen aus Kroatien, der Slowakei, aus Rumänien. Manche merkten früher, andere später, „dass das nur ein Spiel ist, um die Leute auszunutzen“, seufzt Matteo Pellegrino. Er hat Außenstände von rund 37.000, de Toro von 54.000 Euro, und da sind schon reichlich Abschläge eingearbeitet. Ein Rechtsanwalt ist eingeschaltet, eine Seltenheit: Viele wollen dem schlechten Geld nicht noch gutes hinterher werfen. Zudem kann der juristische Weg dauern. Wovon sollen sie bis dahin leben?
"Ernst nehmen, was die Leute sagen"
Nicht das Problem von Cobau-Geschäftsführer Bert Stöppler: Dass „die Jungs“, wie er sie nennt, kein Geld bekommen hätten sei „nicht sooooo verkehrt“, aber es gäbe Gründe: falsch geschriebene Rechnungen, viele Mängel, und mit Bilfinger hampele man auch herum, unsäglich, „die zahlen nicht richtig“. Sein Trost für de Toro und Co.: „Jeder kriegt das Geld, das ihm zusteht. Wir sind gesprächsbereit.“
Bilfinger ist es auch: Selbstredend habe man alle geleisteten Arbeiten „ordnungsgemäß bezahlt“, sagt Sprecher Sascha Bamberger und fügt mit Blick auf die protestierenden Trockenbauer hinzu: „Wir müssen ernst nehmen, was die Leute sagen.“ Es werde klärende Gespräche mit Cobau geben, denen just gestern übrigens der Vertrag gekündigt wurde, und dazu Überlegungen, wie man einige der Unternehmer weiterbeschäftigen kann.
Rettungsanker Thyssen-Krupp
Die vier vorm Baustellentor bleiben skeptisch: Versprechungen haben sie schon oft gehört, haben gesehen, wie die Rumänen zu acht im Baucontainer auf ihr Geld gewartet und dort geschlafen haben, drei Tage lang, ohne Erfolg. Sie haben die Handy-Nummern noch. Und sie hören nicht gerne, was Bernd Honsberg vom Baustellenmanagement sagt: „So dramatisch wie im Trockenbau kenne ich das Problem mit Werkverträgen in keinem anderen Gewerk.“
„Ein Telefonanruf reicht doch“ bekommt er zu hören, „Thyssen-Krupp kann uns helfen“, glaubt Vargas. Und ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es diesen Anruf schon gegeben hat: Man könne zwar über den Forderungsumfang nichts sagen, so Sprecher Robin Zimmermann, aber natürlich sei es „inakzeptabel“, Lohn für geleistete Arbeit einzubehalten: Thyssen-Krupp werde seinen „Einfluss als Auftraggeber in die Waagschale werfen. Wir wollen auf keinen Fall das Sankt-Florians-Prinzip.“
Wer weiß, vielleicht kann Enrique de Toro 1.545 Kilometer zurücksimsen: „Sie haben uns bezahlt, ich komme heim.“ Europa kann so schön sein.