Essen. Drogen, Depressionen, Prostitution und Gewalt: Das sind nur einige der Probleme der Frauen, die in der Gruppe der Diakonie Hilfe, Sicherheit und ein Zuhause auf Zeit suchen. Die Nachfrage ist so groß, dass die Mitarbeiter manchen auch absagen müssen.

In ihrer Heimat Guinea lebte Maria (Name geändert) in einer großen Familie mit ihren Eltern und zehn Geschwistern. Nach Spanien reiste sie allein aus, wollte Flugbegleiterin werden, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie fand ihre Liebe, bekam ein Kind, aber keine Arbeit. Als die Beziehung scheiterte, zog sie weiter. Diesmal nach Deutschland. Sie jobbte im Restaurant, landete irgendwann mit ihrem Sohn auf der Straße. „Dort haben wir geschlafen und viel Angst gehabt, auch davor, wie es weitergeht“, erzählt Maria, die in der Frauengruppe der Diakonie angekommen ist, wo sie nach einer langen Odyssee langsam Hoffnung schöpft für sich und ihr siebenjähriges Kind.

Mit ihr leben an der Ahrfeldstraße neun Frauen in den schlicht eingerichteten Zimmern, betreut von Birgit Schmidt, die die Gruppe leitet. Diese könnte noch deutlich größer sein, wenn sie nur mehr Platz und vor allem mehr als eine Mitarbeiterin für stets wachsenden Aufgaben hätten. Es fängt bei der Körperhygiene an, es geht um akute Krisen, psychische Probleme, um Prostitution, Vergewaltigung und fast immer auch um Gewalt. „Häusliche Gewalt nimmt zu“, sagt Birgit Schmidt.

Erstmal zur Ruhe kommen

Wenn die Frauen hier an die Tür klopfen, sind sie oft aus einer Partnerschaft geflohen – und sie sind wohnungslos, sagt Nicole Zumbansen, die das Haus leitet. Dort finden im oberen Geschoss auch Kinder und Jugendliche Zuflucht, die etwa in ihren Familie gefährdet sind. Oder solche, die als „Klaukind“ von der Polizei gebracht werden. Für die Frauengruppe hat die Leiterin gerade vier Anfragen erhalten, am Tag zuvor waren es drei. Sie hat absagen müssen. Morgen zieht bereits eine neue Bewohnerin mit Säugling ein.

Die Frauen sollen zur Ruhe kommen, bekommen Hilfe bei Anträgen oder auf dem Weg zur Polizei. Es gibt Unterstützung bei der Wohnungssuche, denn sie sollten nicht mehr als drei Monate bleiben. Manchmal dauert es dennoch länger, den Frauen ihre Sicherheit und zumindest ein wenig Selbstwertgefühl zurückgeben zu können.

"Achterbahnfahrt mit Sturzflug"

Bei Christin (Name geändert) ist es gelungen. Die 57-Jährige wagt sich heute allein in die Innenstadt, engagiert sich ehrenamtlich in einer Demenzgruppe. Früher arbeitete sie als Verkäuferin, war verheiratet, bekam drei Kinder. Nach der Scheidung folgte eine Beziehung, „in der mein Partner mich zwingen wollte, ihn zu heiraten“. Sie sagte nein, er schlug zu, sperrte sie ein.

Die 57-Jährige ertrug es erst, versteckte ihre blauen Flecken. „Manche fragten, warum ich immer dünner werde“, erzählt sie. Dann aber ging alles ganz schnell: „Tür zu und weg“, erinnert sie sich an den Augenblick, als sie ins Frauenhaus floh. „Ich hatte Angst um mein Leben.“ Das nennt sie „Achterbahnfahrt mit Sturzflug nach unten“.

Wie ein "Lottogewinn"

Erst als sie eine zugesagte Wohnung nicht erhielt und beinahe auf der Straße landete, kam auch sie an die Ahrfeldstraße: „Ich spürte nur noch Erleichterung“. Sie fand wieder Kraft, änderte die Telefonnummer, vermeidet aus Sicherheitsgründen aber noch den Kontakt zu Kindern und Enkeln. Doch sie fühlt sich sicherer, sucht einen neuen Job – eine Wohnung hat sie gefunden.

Bis dahin wird Marias Weg noch etwas dauern. Fünf Monate sind seit ihrem Einzug in die Frauengruppe vergangen. Dass ihr Sohn jetzt zur Schule geht, macht ihr Hoffnung. Seine Mutter möchte nun einen Sprachkurs belegen und in der Altenpflege arbeiten. „Ich glaube an unsere Chance“, sagt sie heute und auch wie dankbar sie ist für die Hilfe bei allen Anliegen rund um Jobcenter, Kinderarzt und Krankenversicherung. Vor allem aber auch fürs Zuhören: „Birgit ist ein Engel“, sagt Maria und beschreibt den Augenblick, als die Tür an der Ahrfeldstraße zum ersten Mal für sie und ihren Sohn aufging als „Lottogewinn“.

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