Essen. Durch die neue Gesetzgebung öffnen am Sonntag erstmals in sechs Stadtteilen gleichzeitig die Geschäfte. Viele fürchten den erhöhten Konkurrenzdruck. Der Einzelhandelsverband Ruhr warnt zudem, dass der Kalender künftig um einige Veranstaltungen ärmer werden könnte.

Borbeck, Kettwig, Steele, Rüttenscheid, Holsterhausen, Rellinghausen: In gleich sechs Stadtteilen öffnen am Sonntag die Geschäfte. Damit wird erstmals die Gesetzesänderung der rot-grünen Landesregierung spürbar, nach der maximal elf verkaufsoffene Sonntage pro Stadt im Jahr erlaubt sind, jeder Stadtteil aber weiterhin vier Sonntage zur Verfügung hat. Die Konsequenz ist, dass sich nun mehr Händler den Kuchen teilen müssen.

Der Einzelhandelsverband Ruhr warnt: „Diese Regelung geht ausgerechnet zu Lasten der Stadtteile, die man eigentlich hatte stärken wollen. So werden viele Feste vom Handel mitfinanziert. Sehen die Kaufleute, dass es sich nicht mehr lohnt, sonntags zu öffnen, wird es künftig weniger Veranstaltungen geben“, prognostiziert Marc Heistermann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands. Die Händler blicken mit gemischten Gefühlen auf den Sonntag.

"Es wird uns allen Schaden"

Steele gilt praktisch als Wiege der verkaufsoffenen Sonntage. „Wir haben drei Jahre lang darum gekämpft, bevor 1995 die erste Auflage überhaupt bei uns im Stadtteil über die Bühne ging“, sagt Léon Finger, Vorsitzender des Initiativkreises City Steele. Wie sich die größere Konkurrenz auf das eigene Event auswirkt, darüber kann Finger nur Vermutungen anstellen: „Die Konstellation ist neu, aber generell ist der Erfolg eines verkaufsoffenen Sonntages hauptsächlich von drei Kriterien abhängig: das Wetter als unkalkulierbare Größe, der Zeitpunkt und die Art der Veranstaltung.“ Mit dem Musikgarten und der Frühjahrskirmes sei Steele gut aufgestellt. „Aus den anderen Stadtteilen droht uns keine Konkurrenz“, sagt Finger.

Weniger enthusiastisch sind die Geschäftsleute in Kettwig. Heute und morgen lädt die Interessengemeinschaft KettIN zum Frühlingsfest ein. Heute geht es um 14 Uhr los, am Sonntag um 12 Uhr. KettIN-Vorsitzender Wolfgang Bieger ist sich sicher, „dass wir uns die Kunden gegenseitig wegnehmen. Und neben den sechs verkaufsoffenen Sonntagen in Essen haben auch in vielen Nachbarstädten die Geschäfte geöffnet“. Er rechnet nicht damit, dass die Kunden die Stadtteile abklappern: „Wir werden keinen Sonntagstourismus wie bei den Weihnachtsmärkten erleben. Für mich ist das kein Ladenöffnungs-, sondern ein Ladenschlussgesetz. Alle werden unter der Reduzierung leiden.“ Auch in Rüttenscheid ist die Interessengemeinschaft (IGR) alles andere als glücklich mit der Situation. „Wir werden es alle merken und es wird uns allen schaden. Das Ziel, die abhängig Beschäftigten zu schützen, wird verfehlt, da die meisten Geschäfte inhabergeführt sind“, so IGR-Vorsitzender Rolf Krane.

Holland-Markt fällt aus

„In den letzten Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass es sich immer lohnt, einen verkaufsoffenen Sonntag zu veranstalten“, sagt Ralph Steiner, Vorsitzender der Werbeinitiative Rellinghausen (WIR). Es gebe immer Leute, die den Spaziergang auf die Frankenstraße verlegten und an den Geschäften entlang bummelten. „Wie sich die große Zahl der Konkurrenzveranstaltungen und der Brückentag auswirken werden, bleibt abzuwarten“, so Steiner.

Für den neuen Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Holsterhausen (IGH), Jens Noetzel, ist es der erste verkaufsoffene Sonntag unter seiner Federführung. Da der geplante Holland-Markt wegen der Bauarbeiten an der Gemarkenstraße nicht stattfinden kann, fehlt in diesem Jahr die Hauptattraktion.

Bittere Pille für Stadtteilzentren

Der Einzelhandel in den Stadtteilen leidet: In Rüttenscheid haben die hohen Mieten schon so manchen kleinen Händler in die Knie gezwungen, in Kupferdreh wird ein Konzept gegen Leerstände ausgearbeitet. Die Geschäftsleute in den Stadtteilen brauchen die verkaufsoffenen Sonntage. Nicht nur aus Umsatz-, sondern auch aus Imagegründen. Völlig unverständlich ist daher die Neuregelung der Landesregierung, die in erster Linie die Innenstadt stärkt, mit der als Platzhirsch kaum ein Stadtteil konkurrieren möchte.

Das vorgebrachte Argument, die Arbeitnehmer zu schützen, ist hanebüchen. So gibt es in vielen Stadtteilen bis zu vier Termine. Der einzige Unterschied ist, dass sich die Veranstaltungen nun auf weniger Tage konzentrieren, der Konsument ergo eine nie da gewesene Auswahl hat. Das macht es schwieriger, den Handel vor der Haustür zu unterstützen. Sozial und gerecht geht anders.

Borbeck hingegen wird wohl die geografische Lage zu Gute kommen: Es ist der einzige Stadtteil nördlich der A 40, in dem am Sonntag die Geschäfte in Verbindung mit der Autoschau öffnen. Ein gegenseitiges Abwerben der Kunden sieht Klaudia Ortkemper vom „Initiativkreis Centrum Borbeck“ (CeBo) nicht. Es bleibe aber abzuwarten, wie sich die Vorgaben auf die Entwicklung der Stadtteile auswirken.