Essen. Die Linke im Rat der Stadt fordert neue Wege in der Drogenpolitik und legale Verkaufsstellen für Cannabisprodukte. SPD und CDU sind mehr als skeptisch.
Coffee-Shops sind der Stoff, aus dem kontroverse Diskussionen sind – landauf, landab. In Berlin-Kreuzberg ist das bereits so, in Frankfurt am Main, selbst in Bayern und bald auch in dieser Stadt: In Essen sollen illegale Cannabisprodukte künftig legal zu haben sein. Dies fordern die Linken im Rat der Stadt.
Ein Rückfall in die 90er Jahre, politisch nicht durchsetzbar, am Ende nur viel Rauch um Nichts? Vielleicht. Doch was heute noch als leicht bekiffte Idee rüberkommen könnte, genießt nach einigem Nachdenken vielleicht morgen schon eine nüchterne Akzeptanz: Die Politik der Verbote so genannter weicher Drogen sei gescheitert, das lasse sich auf den Straßen dieser Stadt beobachten. Trotz Razzien floriere der Rauschgifthandel weiterhin. Besonders in Altendorf und im Norden der Stadt, etwa an der Katzenbruchstraße, aber auch andernorts kriminalisieren sich die Konsumenten Tag für Tag, sagt Hans Peter Leymann-Kurtz. Mögliche Strafverfolgung sei somit für Tausende eine Nebenwirkung illegaler Strukturen, gegen die natürlich mit Nachdruck vorgegangen werden müsse.
Nur legaler Vertrieb ist zu kontrollieren
Doch der Fraktionschef der Linken ist überzeugt, dass der mafiöse Markt schon über eine regulierte Abgabe von Cannabis zurückgedrängt werden kann. Gleichzeitig müssten den Konsumenten, die kritische Mengen zu sich nehmen, Hilfen angeboten werden. Nur ein legaler Vertrieb sei am Ende zu kontrollieren, um den Verkauf von Cannabisprodukten bereits an Jugendliche zu verhindern, meinen die Linken.
„Es ist an der Zeit, die ideologischen Schützengräben zu verlassen, und endlich eine Drogenpolitik zu etablieren, in der die Gesundheit und der Schutz des Menschen im Mittelpunkt stehen“, sagt Leymann-Kurtz, der die Stadtverwaltung deshalb beauftragen will, gemeinsam mit Experten ein Modellprojekt zu entwickeln und eine Ausnahmegenehmigung für eine Drogen-Abgabestelle beim Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu stellen.
Absolutes Neuland
Damit würde Essen absolutes Neuland betreten: Es wäre der bundesweit erste Antrag einer Kommune auf legale Cannabis-Vergabe, sagte Instituts-Sprecher Maik Pommer am Mittwoch auf Nachfrage. Und weil das so sei, gebe es weder ein standardisiertes Entscheidungsverfahren noch ein Formular, das einfach auszufüllen sei, und im Vorfeld schon gar keine Einschätzung, wie realistisch ein solcher Vorstoß bei der genehmigenden Behörde wäre. „Ein Antrag, wenn er denn kommen sollte, würde natürlich sorgfältig geprüft“, sagte Pommer. Theoretisch wäre eine Ausnahmegenehmigung für ein von den Linken gefordertes Modellprojekt unter wissenschaftlicher Begleitung also denkbar. Doch die Hoffnung, dass es zeitnah so weit kommt, käme einer Halluzination gleich.
Erste Rauchzeichen steigen auf: Sowohl die SPD- als auch die CDU-Fraktion signalisierten gestern, den Linken nicht folgen zu wollen. Ohne Erfahrungswerte solle man die Verwaltung nicht gleich beauftragen, ein solches Modellprojekt zu entwickeln, sagte SPD-Fraktionschef Rainer Marschan: Zudem sei das Vorhaben bei der aktuellen Haushaltslage „nicht denkbar“. Für CDU-Ratsherr Jörg Uhlenbruch ist klar nachgewiesen: Cannabis schade der Gesundheit. „Deshalb sollten wir es bei Verboten belassen.“