Weltkriegs-Blindgänger sorgte für Durcheinander in Essen
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Essen. . Streik, Oldtimer-Messe – und dann noch ein Bombenfund in Essen-Holsterhausen: Auf der Alfredstraße ging am Donnerstag teilweise nichts mehr. Bürger in Holsterhausen mussten aus ihren Wohnungen, viele Heimkehrer wurden überrascht. Eine Reportage rund um die Evakuierung und Bombenentschärfung.
Ernst Lemberg (82) wollte kurz zum Arzt, einige Unterlagen abholen. Das war am Donnerstagmorgen um 9 Uhr. Als er eine Viertelstunde später zurückkam, durfte er nicht mehr in seine Wohnung. Sie liegt an der Kortumstraße gegenüber vom Landgericht. Dort ist gerade eine Baustelle. Während Lemberg beim Arzt war, wurde dort eine Fünf-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt.
Um kurz vor vier am Nachmittag ist Lemberg immer noch nicht wieder zu Hause, er sitzt vor der Turnhalle an der Gesamtschule Holsterhausen. Hier haben sie kurzfristig eine Not-Unterkunft eingerichtet, es gibt Mineralwasser, Birnen und Schoko-Kuchen mit Smarties drauf, und Lemberg sagt: „So lange ich hier in der Sonne sitzen kann, ist alles in Ordnung. Ich hab’ meine Tochter angerufen, damit die weiß, wo ich bin.“ Ist er wütend über den Aufwand, der betrieben wird? „So lange das Wetter mitspielt“, sagt Lemberg und lacht, „geht es.“
Erste Express-Entschärfung in Essen unter dem neuen Erlass
Stimmt, das Wetter war gut. Ansonsten hätte man Schauplatz und Zeitpunkt kaum ungünstiger aussuchen können für die erste Bombenentschärfung in Essen seit dem neuen Erlass der Bezirksregierung, der „Unverzüglichkeit“ vorschreibt und keine tagelange Vorbereitung mehr duldet wie in der Vergangenheit. Ungünstig, weil: Die Bombe lag im engen Holsterhausen gleich neben Gefängnis, Gerichten, Schulen und Evag, außerdem war Streik im Öffentlichen Dienst.
Ab dem Mittag werden im Umkreis von einem Kilometer insgesamt 36 Straßensperrungen vorgenommen; um 12.53 Uhr steht Mutter Zora Alaui ratlos an der Kortumstraße: Gerade hat sie ihre Tochter von der Grundschule geholt, im Kinderwagen windet sich der zweijährige Sohn: „Der hat Fieber, ich muss doch nach Hause!“
Senioren werden von Hilfsdiensten in Not-Unterkunft gebracht
Zu zweit klingeln Feuerwehr und Amt die Leute raus: 30 Minuten Zeit hat jeder, seine Wohnung zu verlassen. Viele haben ein Einsehen, niemand ist begeistert, eine junge Mutter fragt im Flur: „Und wie lange dauert das?“ Diese Frage wird tausendmal gestellt an diesem Nachmittag, und die Antwort heißt jedes Mal: „Das wissen wir nicht.“
Eine betagte Seniorin, erkennbar über 80, steht an der Langenbeckstraße und fragt: „Wo soll ich denn jetzt hin?“ Sie hört schlecht. Lautsprecherdurchsagen? Radio? „Vergessen Sie’s!“ Später wird sie von einem Hilfsdienst zur Gesamtschule gefahren. In Holsterhausen wohnen viele alte Leute.
Weltkriegsbombe in Essen-Rüttenscheid
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Ordnungskräfte werden immer wieder von Bürgern gefragt: „Sollen wir Fenster auf- oder zumachen wegen der Druckwelle?“ Sie kennen das noch mit den Bomben. Einer, der Erfahrung hat mit der Organisation solcher Räum-Einsätze, sagt leise: „Früher hat man sowas hier in drei Tagen problemlos vom Schreibtisch aus organisiert, aber jetzt muss alles gleichzeitig geregelt werden.“ Offiziell kommentieren will den neuen Erlass der Bezirksregierung niemand von Feuerwehr, Amt oder Kampfmittelräumdienst.
Drei Bürger weigern sich, ihre Wohnungen zu verlassen. Alles zieht sich bis nach 18 Uhr. Die Entschärfung am Abend dauert dann gerade mal 21 Minuten.
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