Essen. . Die Stadt Essen und die Polizei müssen künftig sofort Hunderte Mitarbeiter mobilisieren, wenn ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt wird. Und die Bürger haben keine Zeit mehr, sich auf die dann anstehenden Evakuierungen vorzubereiten.

Es wird teuer, es wird hektisch, es kann extrem unbequem sein für die Betroffenen - „und es wird in der Bevölkerung wohl keine Bombenstimmung auslösen“, kalauert Ordnungsdezernent Christian Kromberg. Gleichwohl zwingen die neuen Richtlinien der Bezirksregierung Düsseldorf im Fall von Bombenentschärfungen die Stadt zum Handeln. Ausbaden müssen es die Anwohner, denen es passieren kann, dass sie künftig von jetzt auf gleich ihre Wohnungen oder Büros verlassen müssen, und wenn’s ganz blöd kommt, werden sogar Autobahnen und Bahnstrecken sofort und für Stunden komplett stillgelegt.

Wie das? Nun, bisher konnte sich die Stadt in aller Regel einige Tage Zeit lassen, wenn wieder mal bei Erdbewegungen einer jener Blindgänger gefunden wurden, die im Zweiten Weltkrieg zwar über Essen abgeworden wurden, aber nicht detoniert waren. Wenn eine Bombe mit dem normalen Aufschlagzünder etwa in der Nähe der Uni auftauchte, hat die Stadt nicht etwa die Uni geräumt, sondern in Absprache mit dem Kampfmittelräumdienst bis zum Wochenende gewartet. „Künftig müssten wir räumen, wir sind gezwungen, unverzüglich zu handeln“, sagt Kromberg.

Für die Stadt und auch die Polizei bedeutet dies: Sie muss einen Führungsstab einrichten, Hunderte Mitarbeiter mobilisieren, die Straßen sperren, von Haus zu Haus gehen, um die Menschen herauszuholen, zögerlichen Anwohnern Beine machen, Aufenthaltsräume einrichten, kranke und gebrechliche Anwohner transportieren, die Medieninformieren - „das alles innerhalb weniger Stunden“, so Kromberg. Nur bei der Evakuierung von Krankenhäusern oder auch Gefängnissen dürfte die Stadt sich mehr Zeit lassen - einfach weil sich solche sensiblen Einrichtungen unmöglich in wenigen Stunden räumen ließen.

Während Betroffene sich bislang wegen der langen Vorlaufzeit in der Regel selbst zu helfen wussten, müssen sie jetzt jedenfalls aufwendig betreut werden. Im Extremfall sei die Polizei ermächtigt Gewalt anzuwenden, um Menschen aus ihren Wohnungen zu holen. Die Kosten für die möglicherweise kaputte Tür hätte dann der zwangsweise in Sicherheit gebrachte Bürger zu tragen. „Die Sensibilität für solche Lagen muss in der Bevölkerung erhöht werden“, ahnt Kromberg.

Ganz so selten wie man meinen könnte ist ein solches Entschärfungs-Szenario durchaus nicht. „Im Schnitt zehn mal pro Jahr“, rücken die Bombenprofis in Essen an, sagt Günter Kraemer, Leiter des Ordnungsamtes. Wenn ein Blindgänger dann in einem dicht besiedelten Stadtteil gefunden wird, läuft die oben skizzierte Maschine an.

Die Frage liegt nahe: Muss das eigentlich sein, wo doch die alte Lösung bislang hervorragend funktionierte? „Dazu möchte ich“, sagt Kromberg, „nichts sagen“.