Essen. . Der Weiterbau der A 52 und der Ruhrallee-Tunnel waren mausetot, nachdem NRW-Verkehrsminister Groschek die Projekte nicht für den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet hatte. Dafür sorgte nun die IHK Essen mit einem „Hinweis“ an Berlin.
Eigentlich war der Patient schon tot. Mausetot: Im Juli 2013 hatte NRW-Verkehrsminister Michael Groschek auf einer Verkehrskonferenz für das mittlere Ruhrgebiet angekündigt, den Weiterbau der A 52 und den Ruhrallee-Tunnel definitiv nicht für den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 in Berlin anzumelden. Allein schon vor dem Hintergrund des enormen Instandsetzungsstaus an den Autobahnen und Bundesstraßen seien die Milliarden-Projekte „völlig unrealistisch“, begründete Groschek damals seine Entscheidung – an die er sich auch gehalten hat: 278 Straßenbauprojekte schlug das Land dem Bund Ende 2013 zur Bewertung vor, darunter gerade einmal 76 neue Projekte, da mit der Bundesregierung ohnehin vereinbart sei, 80 Prozent der Mittel in den Erhalt der Infrastruktur zu investieren, so die Darstellung in Düsseldorf.
„Hinweis“ an Berlin
Und nun das: Kurz vor dem Ableben des Patienten wendet sich die Industrie- und Handelskammer zu Essen mit dem „Hinweis“ an Berlin, den A 52-Lückenschluss und den Ruhrallee-Tunnel ebenfalls für den neu aufzustellenden Bundesverkehrswegeplan zu berücksichtigen. Und als hätte das Dobrindt-Ministerium darauf nur gewartet, folgt ein Schreiben an Düsseldorf, doch bitteschön die Unterlagen in Berlin vorzulegen für die A 52 zwischen den Kreuzen Ost und Nord sowie für den Weiterbau bis Buer, dazu die Papiere für den Ruhrallee-Tunnel, um eine nachprüfbare Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen und darüber zu befinden, ob die Essener Projekte nicht doch in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden sollten. Auf der Anfrage-Liste finden sich daneben fünf weitere Projekte im Bonner Raum, bei Kamp-Lintfort und Lemgo.
„Die Wirtschaft spricht sich seit Jahren für den Lückenschluss und den Ruhrallee-Tunnel aus. Wir freuen uns, dass nun der Weg für eine Neubewertung der Projekte geebnet wurde. Damit gibt es eine vernünftige Entscheidungsgrundlage für den weiteren Prozess“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Gerald Püchel. Bei der IHK sieht man den „Hinweis“ keineswegs als Affront gegenüber dem NRW-Verkehrsminister, vielmehr gebiete dies eine vernünftige Verkehrsplanung. Die Prognosen für den Zuwachs des Güterverkehrs seien „besorgniserregend“, heißt es bei der Kammer, „und uns fehlt eine leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung durch das mittlere Ruhrgebiet“. Das Vorhaben, so betont Hauptgeschäftsführer Gerald Püchel, werde nun „nicht aus politischen Gründen liegen gelassen“.
Das „Unvermögen“ des Bundesverkehrsministers
In Düsseldorf beurteilt man die Entscheidung grundsätzlich anders, will die IHK-Haltung aber auch nicht weiter kommentieren: Weitere Vorschläge der IHK und anderer Organisationen in die Liste der zu bewertenden Vorhaben aufzunehmen, dieses Verfahren sei so durchaus vorgesehen gewesen, und natürlich könne die IHK diesen Weg auch wählen.
Siehe da, schon öffnet der Patient wieder die Augen. Und das Publikum staunt. Allen voran der Grünen-Landtagsabgeordnete Mehrdad Mostofizadeh, der sich enttäuscht zeigt über das „Unvermögen“ des Bundesverkehrsministers: „Da werden Wolkenkuckucksheime weiter favorisiert.“ Alexander Dobrindt falle damit hinter die Vorgaben seines Vorgängers Peter Ramsauer zurück, der für mehr Ehrlichkeit bei der Bewertung von Verkehrsprojekten geworben hatte und angesichts des enormen Sanierungsstaus klar dem Erhalt den Vorrang bei der Mittelverteilung zugesprochen hatte.
3,5 Milliarden Euro für Aus- und Neubau
Allein in NRW werden beispielsweise für die Reparatur, Verstärkung oder den Neubau der über 300 Brücken an Autobahnen oder Bundesstraßen rund 3,5 Milliarden Euro benötigt. Ob man da zwei Milliarden Euro für zwei kurzstreckige Straßenbauprojekte in Essen anlegen solle, die erst in etwa 30 Jahren für den Verkehr freigegeben werden dürften, dahinter stehe doch mehr als ein Fragezeichen: „Wenn Dobrindt jetzt mehr Straßen in NRW neu bauen lassen will, als das Land angemeldet hat, dann ist das einfach sinnlos“, schimpft Mostofizadeh. „Wenn die Bundesregierung auf einmal wider Erwarten mehr Geld für Verkehrsmaßnahmen zur Verfügung hat, dann soll sie stattdessen nachhaltige Projekte fördern, wie den Rhein-Ruhr-Express, damit die Menschen auf die Bahn umsteigen. Die Schienenwege durch das Ruhrgebiet sind überlastet und nicht in der Lage, die Zuwächse beim Güterverkehr aufzufangen. Hier muss investiert werden – und nicht in eine A 52 oder den Ruhrallee-Tunnel.“
Doch im Augenblick lebt der Patient, und erst Ende 2014, eher noch Anfang 2015, wird sich zeigen, ob der Bund ihn tatsächlich länger am Leben halten will und die Kosten-Nutzen-Bewertung positiv ausfällt. Bislang habe Berlin noch nie gegen den Willen eines Landes ein Verkehrsprojekt durchgesetzt, sagt der Grünen-Vorstandssprecher. „Diese ganze Diskussion verhindert doch nur die Entwicklung an anderer Stelle und lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Wir sollten über die Schiene reden und nicht über Autobahnen, die nie gebaut werden.“
Mehr Klarheit
Etwas mehr Klarheit in der Frage erhofft sich auch die Stadt Essen. Zwar bieten die Flächen, die bislang für den A 52-Weiterbau freigehalten werden, nicht unbedingt das große Potenzial für Wohnungsbau oder Gewerbe, darauf hatte Planungsdezernent Hans-Jürgen Best bereits im Juli 2013 hingewiesen. Helenenpark und andere Freiflächen zwischen den Kreuzen Ost und Nord wolle man ohnehin nicht bebauen. Lediglich bei der Anbindung der riesigen rund 80 Hektar großen ehemaligen Kohlelager-Fläche der RAG zwischen Vogelheim und dem Kanal benötigen die Stadtplaner in naher Zukunft dann mal Klarheit, wie denn das Areal erschlossen werden kann. Aber auch diese Frage wird erst ab 2018 mit dem Auslaufen des Bergbaus aktuell. Bis dahin sollte über das Schicksal des Patienten entschieden sein.