Essen. . Der Altenessener Albert Ritter ist der mächtigste Schausteller des Landes: Sein Wort hat in der Branche Gewicht. Beim Jahresempfang der Gilde auf Zollverein drohte er den hochkarätigen politischen Vertretern – unter ihnen Bundestagspräsident Nobert Lammert – unverhohlen mit seiner Macht.
Er gilt als mächtigster Mann seiner Branche: Albert Ritter führt in Personalunion die Essener Schausteller, den deutschen Dachverband und die Europäische Schausteller-Union. Keiner hat mehr Einfluss auf das sogenannte fahrende Volk, keiner vertritt so offensiv die Interessen seiner Klientel – ein Karussell-Lobbyist par excellence.
Sein Selbstbewusstsein stellte er einmal mehr Freitagabend unter Beweis, als sich (nicht nur) die nordrhein-westfälische Politprominenz auf Einladung der NRW-Schausteller auf Zollverein traf. Wortgewaltig, pathetisch und rhetorisch brillant nutzte er den großen Auftritt und drohte der Politik ganz unverhohlen, sollte sie seine Forderungen nicht erfüllen. Der Abend zeigte, wie sehr die Schausteller-Verbände die Nähe zu wichtigen Entscheidungsträgern suchen und sie verbal unter Druck setzen.
Norbert Lammert, Martin Schulz und Thomas Kutschaty zu Gast
Der Jahresempfang in Halle fünf begann mit dem Einmarsch vieler Dutzend Verbandsvertreter aus dem ganzen Land. Vorneweg marschierte eine Bergmannskapelle, das Steigerlied dröhnte. Bis alle Fahnenschwenker die Prozedur hinter sich gebracht hatten, vergingen lange Minuten. Eine beeindruckende Demonstration von Personalstärke. Dann trat Ritter ans Mikrofon: „Stellen Sie sich einmal vor“, rief er den Politikern mit bebender Stimme zu, „wir machen mal einen wirklich großen Aufruf und marschieren in Düsseldorf, Berlin oder Brüssel vors Parlament. Und merken Sie sich: Wir sind bereit, es zu tun!“
In den ersten Reihen saßen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, die NRW-Minister Michael Groschek (Verkehr) und Thomas Kutschaty (Justiz) sowie Landtagspräsidentin Carina Gödecke (alle SPD), sie hockten mitunter auf der Bierbank wie Pennäler während einer Standpauke. Die Verhältnisse waren also gleich zu Beginn klar: Die Schausteller wollten fordern, die Politik sollte zuhören.
Das Deutschland-Lied gehört dazu
Doch vorher musste das Publikum noch auf Betriebstemperatur gebracht werden. „Wir sind Demokraten“, so Ritter, „deshalb spielen wir jetzt das Deutschland-Lied.“ Die Halle sang inbrünstig mit, eine perfekt inszenierte Ouvertüre für Ritters folgende Kampfrede. Der Altenessener nutzte sein Zollverein-Heimspiel zu einer Abrechnung: Die Umweltzonen-Regelung belaste die Schausteller, „für 400 Meter von der Autobahn zum Kirmesplatz sollen Schausteller ihre Autos verschrotten? Da müssen Ausnahmetatbestände her.“ Und Subventionen für seine Leute, denn es könne nicht sein, dass Opernhäuser gefördert würden, die Kirmeskultur aber nicht. „Da ist was falsch in der Gesetzgebung.“ Jeder Satz ein Ausrufezeichen, quittiert mit tosendem Applaus.
Starker Druck also, den Ritter auf die Politik aufbaute. Das wird nicht jedem Volksvertreter gefallen haben; Minister Groschek schaute, als bisse er sich unentwegt auf die Zunge. „Wenn er etwas durchsetzen will, muss er nach vorne preschen“, sagte ein Münchener Kollege über Albert Ritter. „Es ist nicht leicht mit ihm. Aber so einen Präsidenten werden wir nicht mehr bekommen.“