Essen. Mit spitzzüngigem Schlagabtausch und treffsicherem Ensemble glänzt die Komödie „Der Vorname“. Dennoch bleibt die Leichtigkeit erhalten. Viel Beifall bei der Premiere im Rathaus-Theater.

Sie heißen Lukas, Alexander oder Maximilian. Althergebrachte Vornamen liegen bei jungen Eltern voll im Trend. Unter großer Umgehung von Adolf. Einen solchen Fauxpas leistet sich das Bildungsbürgertum nicht. Weder in Frankreich noch in Deutschland. Weder mit „phe“ noch mit „f“. Der Immobilienmakler und werdende Vater Vincent trifft also in vermintes Gelände, als er eines gemütlichen Abends vor seiner Schwester Elisabeth, Schwager Pierre und Jugendfreund Claude kundtut, seinen Sohn Adolphe zu nennen. Ist der erste Schock überwunden, folgt die kollektive Empörung: „Das ist kein Vorname, sondern die Verherrlichung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Aus einem Funken, den die Autoren Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière in ihrer grenzenlos erfolgreichen Boulevardkomödie schlagen, wird ein spitzzüngiges, zuweilen feuriges Wortgefecht, das Fernsehregisseur Ulrich Stark („Polizeiruf 110“) versiert, punktgenau, aber auch klischeelastig inszeniert hat. Es entflammt jeden der Anwesenden, vernichtend ist es nicht.

Fünf Besserwisser im Wohnzimmer

In einem mustergültigen Lehrerwohnzimmer (Ausstattung: Marlies Frese) sorgen dafür auch die fünf Ensemblemitglieder, die als aufbrausender Besserwisser (Christian Kaiser), eleganter Provokateur (Martin Lindow), frustrierte Hausfrau (Anne Weinknecht), verletzte Karrierefrau (Julia Hansen) und stilles Wasser (Benjamin Kernen) daherkommen und dem jeweiligen Kontrahenten gekonnt auf Augenhöhe parieren. Ständig wechseln die Fronten, die Austeiler und die Einstecker. Trotzdem steht der Essener Schauspieler Martin Lindow jenseits von Bekanntheitsgrad und Heimvorteil immer wieder im Fokus. Er hat als verbaler Brandstifter in diesem Typenkabinett die zentrale Rolle, die er in einem nuancenreichen Spiel zelebriert.

Angefacht von der hitzigen Debatte um jenen historisch vorbelasteten Vornamen läuft es auf einen „Was ich dir immer schon mal sagen wollte“-Rundumschlag hinaus. Missverständnisse offenbaren sich, Geheimnisse werden gelüftet, Lebenslügen aufgetischt. Außenansichten werden ansatzweise zu Innenansichten. Irgendwie fühlt man sich ein bisschen ertappt, weil ja jeder seine dunklen Ecken hat.

Das, was hier brennt, leuchtet hell und erlischt schnell, ohne große Verletzungen zu verursachen - ein Strohfeuer. Hier wird keiner der Lächerlichkeit preisgegeben. Hier kann der Lacher niveauvoll sein, ohne pausenlos im Halse stecken zu bleiben. Hier bietet Unterhaltung einen flüchtigen Blick in den Abgrund. Dass der Abend doch noch in Frieden endet, löst nach all den Wendungen großes Erstaunen aus.