Essen. In Essen-Karnap hat die Stadt ihre selbstgesteckten Ziele für die Kinderbetreuung erreicht. Andernorts aber kann sie trotz des millionenschweren Ausbau-Programms nicht mit dem wachsenden Bedarf Schritt halten. Fast 200 Eltern warten derzeit auf einen Kita-Platz für ihr Kind.

Eine einzelne neue Kita katapultiert Karnap von einem der Schlusslichter in puncto Kinderbetreuung auf einen Spitzenplatz: Künftig werden 40 Prozent der unter Dreijährigen (U 3) im Stadtteil und 99 Prozent der Kinder von drei Jahren bis zur Einschulung (Ü 3) einen Betreuungsplatz haben. Noch ist die Einrichtung im Bau, doch der Stadt dient sie schon jetzt als Symbol für ihr Mammutprojekt Kita-Ausbau.

Oberbürgermeister Reinhard Paß war jetzt in großer Runde auf der Baustelle unterwegs. Die Kita soll in die frühere Hauptschule am Karnaper Markt einziehen, einige Räume wird die benachbarte Maria-Kunigunda-Grundschule nutzen. Zwei Millionen Euro Sanierungskosten entfallen auf die Kita, weitere 400.000 Euro auf den Schultrakt. Das liege etwa 20 Prozent unter den Kosten für den Neubau einer Kita, sagt Sebastian Schlecht von der städtischen Immobilienwirtschaft.

"Eine Heimat für die Kinder"

Von der gelungenen Wiederbelebung einer ungenutzten Immobilie spricht der OB. Das Konzept, das es so bisher nur beim Haus des Lernens in Haarzopf gibt, reiße Mauern zwischen Schule und Kita ein, so Paß: „Es entsteht eine Heimat für die Kinder.“

Das ist ein Satz fürs Poesiealbum oder für den Wahlkampf. Aber das macht ihn nicht falsch: Eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Kita erleichtert Sprachförderung, Inklusion (die Einbindung behinderter Kinder) und Elternarbeit, ermöglicht den Austausch bei der Betreuung in Randzeiten. 75 Kinder in vier Gruppen sollen davon profitieren, wenn die Kita am 1. Oktober ihre Arbeit aufnimmt.

U3-Versorgungsquote bei drei Prozent

Geplant war der Start für Anfang Juni, und auch diese Verzögerung macht die Kita zum Musterbeispiel für den laufenden Ausbau. Probleme mit der Statik, Feuchtigkeit, Brandschutzmängel; diese Gründe haben schon manches Bauprojekt verzögert – bei wachsender Ungeduld der Eltern. Stadtweit warten 193 Kinder auf einen Kita-Platz, ihre Familien haben den Rechtsanspruch förmlich angemeldet. Dabei wird die Stadt zwischen 2011 und 2015 insgesamt 172 neue Kita-Gruppen geschaffen haben; 85 Millionen Euro kostet der Ausbau in dem Zeitraum. „Wir werden bis 2020 brauchen, um diese Aufgabe zu stemmen“, ahnt der OB.“

Auf der Baustelle in Karnap erinnert Ratsherr Udo Bayer vom Essener Bürgerbündnis (EBB) daran, „dass auch hier im Stadtteil bislang eine völlige Unterdeckung bei der Kinderbetreuung herrschte“. Bei den über Dreijährigen lag die Versorgungsquote knapp über 80 Prozent, bei U 3 bei 3 Prozent – dem zweitniedrigsten Wert in Essen.

Trotzdem hat mancher das neue Projekt skeptisch begleitet. Hat gefragt, welche Familie denn schon Kleinstkinder in die Kita geben wolle. Die künftige Leiterin der städtischen Einrichtung, Christa Veen, kennt die Antwort: „Ich hatte bisher vier Anmeldetermine: Da zeigte sich, dass die meisten Eltern die Kinder mit zwei Jahren schicken wollen, nicht erst mit drei.“