Essen. Die Stadt Essen plant neue Asylbewerberheime, um für die steigenden Flüchtlingszahlen gewappnet zu sein. Jetzt gab die Verwaltung die möglichen Standorte bekannt. Dass das für Unruhe vor Ort sorgen wird, ist den Verantwortlichen bewusst. Mit Aufklärungsarbeit wollen sie den sozialen Frieden wahren.
Die Stadt plant 14 neue Unterkünfte für Asylbewerber, um den steigenden Flüchtlingszahlen gerecht zu werden. So steht es in einer Vorlage der Verwaltung, über die der Rat am 26. Februar entscheiden soll. Am Freitag wurden die Planungen Politikern aus Rat und Bezirksvertretungen vorgestellt. „Das war auch ein Appell an die gemeinsame Verantwortung der Politik für den sozialen Frieden“, erklärte Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD).
Derzeit leben in Essen 1048 Asylbewerber (Jan. 2014), im Dezember 2013 waren es noch 990. Mit den 1080 Plätzen in den vorhandenen 13 Einrichtungen wird man nach Ansicht der Verwaltung diesen Winter auskommen. In absehbarer Zeit werde man aber 1800 Plätze benötigen. „Gleichzeitig sollen die Behelfseinrichtungen in Kupferdreh und Frintrop 2015 vom Netz gehen“, sagt Sozialdezernent Peter Renzel. Schulgebäude seien für Dauerunterkünfte wenig geeignet, ihr Umbau sei aufwendig und letztlich kostspieliger als Neubauten.
Diese Neubauten sollen nun in Heidhausen, Frillendorf, Freisenbruch, Stoppenberg und Dellwig entstehen. Die Heime an der Alten Bottroper Straße in Bergeborbeck und an der Gerhardstraße in Schonnebeck werden um 30 bzw. 50 Plätze erweitert. An Standorten in Horst, Kettwig, Kupferdreh und Steele will man für einen Zeitraum von fünf Jahren Container aufstellen; die bestehenden Einrichtungen Im Löwental in Werden und an der Grimbergstraße in Leithe werden um Container ergänzt.
Verantwortlichen sind sich der Unruhe vor Ort bewusst
Dass die Verdoppelung der Asylbewerberheime für Unruhe vor Ort sorgen wird, ist den Verantwortlichen natürlich bewusst. Im vergangenen Jahr gab es massive Proteste, als die Walter-Pleitgen-Schule in Frintrop zur Behelfsunterkunft wurde. Damals versuchten rechtsextreme Gruppen, die aufgeheizte Stimmung zu nutzen. Die Stadt reagierte mit Bürgerversammlungen und dem Versprechen, bei der Verteilung neuer Heime die soziale Balance zu wahren.
Um dies zu gewährleisten, habe man die Standorte nicht nur auf Verfügbarkeit und Platzkapazität hin geprüft, sondern sich auch die aktuelle Verteilung der Asylbewerber – in Heimen und in Wohnungen – im Stadtgebiet angesehen. Zudem sollen neue Einrichtungen möglichst nicht in Stadtteilen entstehen, die beim Programm „Kinderarmut bekämpfen“ auf einem vorderen Platz liegen, also als sozial belastet gelten.
Trotzdem sei beim Termin mit den Vorortpolitikern am Freitag natürlich nach Alternativstandorten gefragt worden. Auf die Frage, wie man die Bürger mitnehmen wolle, erklärte Renzel, dies sei eine gemeinsame Pflicht von Politik und Verwaltung. Und gegen rechte Populisten müsse man „klare Kante“ zeigen.“
Für Essens Sozialdezernent Peter Renzel könnte es ungemütlich werden
Dass die kommenden Wochen ungemütlich werden könnten, ist Sozialdezernent Peter Renzel (CDU) bewusst. Schon im vergangenen Jahr hat er beim Thema Asyl reichlich Prügel bezogen – von allen Seiten. Die einen schalten ihn dafür, Flüchtlinge unter unzumutbaren Umständen unterzubringen, die anderen beschwerten sich über die ungewollten Nachbarn; und die Politiker vor Ort spielten bisweilen eine unrühmliche Rolle in der aufgeheizten Debatte.
Am Freitag gibt Renzel 14 Standorte bekannt, auf denen in absehbarer Zeit neue Flüchtlingsheime in Massiv- oder Container-Bauweise entstehen. Flankiert von OB Reinhard Paß und Baudezernentin Simone Raskob, die erklärt, warum langfristig Neubauten günstiger sind als Container (und gekaufte Container immerhin günstiger als gemietete).
Diskussion könnte von rechtsextremen Splittergruppen instrumentalisiert werden
Die Drei von der Verwaltungsspitze haben sich mit reichlich Zahlen vorbereitet auf eine Diskussion, die nun unvermeidlich losbrechen wird. Und die so knapp vor den Kommunalwahlen am 25. Mai von rechtsextremen Splittergruppen instrumentalisiert werden könnte. Die Versuche gab es bereits 2013; und für den 1. Mai hat die rechtspopulistische Pro NRW eine Demo unweit des Behelfsheims in Frintrop angekündigt.
Diese 14 Standorte schlägt die Verwaltung vor
Geplant sind 14 Unterkünfte für Asylbewerber. In massiver Bauweise (Modulbauweise) sollen Einrichtungen hier entstehen: 1. Jacobsallee/Barkhovenallee (Heidhausen, 80 Plätze), 2. Hubertstr. 25 (Frillendorf, Gebäude/Freifläche, 100 Plätze), 3. Hubertstr. 25 (Sportplatz, 100 Plätze), 4. Schopenhauerweg 2 (Freisenbruch, 70 Plätze), 5. Graitengraben 81 (Stoppenberg, 70 Plätze), 6. Rauchstr./Prosperstr. (Dellwig, 100 Plätze), 7. Alte Bottroper Str. 10 (Bergeborbeck, Erweiterung um 30 Plätze), 8. Gerhardstr. 3 (Schonnebeck, Erweiterung um 50 Plätze).
In Containerbauweise und befristet sind hier Heime geplant: 9. Pläßweidenweg (Horst,100 Plätze), 10. Icktener Str. (Kettwig, 50 Plätze), 11. Möllneyer Ufer 14 (Kupferdreh, 100 Plätze), 12. Äbtissinensteig 6 (Steele, 50 Plätze), 13. Im Löwental (Werden, erweitert um 50 Plätze), 14. Grimbergstr. 20-26 (Leithe, erweitert um 50 Plätze).
110 Standorte wurden geprüft, 40 kamen in die engere Auswahl.
Das freilich dürfte bald Geschichte sein: Die früheren Schulen in Frintrop und Kupferdreh werden nicht zu Dauerunterkünften ausgebaut. Damit erhöht sich die Zahl der zusätzlich benötigten Plätze auf 930.
Sie sollen an den 14 Standorten geschaffen werden, die Renzel gestern benannte. Knapp 40 Millionen Euro wird das kosten. Um für den erwarteten Anstieg der Flüchtlingszahlen in diesem Jahr gewappnet zu sein, muss man rasch mit den Arbeiten beginnen, muss teils Container nutzen. Die Entscheidung bis nach der Wahl zu verschieben, kommt nicht infrage.
„Aber bis zur Ratssitzung am 26. Februar schaffe ich keine 14 Bürgerversammlungen“, sagt Renzel. Darum werden die betroffenen Anwohner nun erstmal per Postwurfsendung informiert, später geht Renzel auf Aufklärungs-Tournee. Dabei wird er auch erklären, dass man mit der Rund-um-die-Uhr-Betreuung in Frintrop und Kupferdreh gute Erfahrungen gemacht habe. Sie soll es darum an allen neuen Standorten geben: Das diene auch dem sozialen Frieden vor Ort.
Den möchte man auch dadurch sicherstellen, dass man die Bezirkspolitiker diesmal besser eingebunden hat: Bei der Vorstellung der Pläne am Freitag gab es noch keine Explosion, sondern nur Nachfragen.