Essen. Emine Erdogmus (37) wurde in Deutschland geboren und war auf dem Papier doch Türkin. Nun hat sie sich einbürgern lassen, zusammen mit vielen anderen Essenern. Sie alle hoffen, nun in ihrer Wahlheimat anzukommen.
So hoch über den Dächern der Stadt zu stehen, das ist für Emine Erdogmus etwas Besonderes. Der 22. Stock im Rathaus, die Panorama-Etage – Erdogmus schaut ehrfürchtig hinunter auf die Essener Lichter. Sie fühlt sich endlich angekommen in diesem Land, in dem sie seit ihrer Geburt lebt. Denn eine halbe Stunde vor der kleinen Feier im 22. hat die 37-Jährige aus den Händen von Oberbürgermeister Reinhard Paß eine Urkunde bekommen, zusammen mit anderen Essenern, die sich im vergangenen Herbst einbürgern ließen. Emine Erdogmus ist jetzt Deutsche.
Für Essen ist das wichtig. Erstmals seit Jahren ist die Bevölkerungszahl vergangenes Jahr wieder gestiegen, und das liegt auch an Menschen wie Emine Erdogmus, die sich zu ihrer Wahlheimatstadt bekennen. 1321 Essener ließen sich 2013 einbürgern – immerhin 14 Prozent mehr als noch 2012. „Das zeigt, dass sie die Lebensqualität in Essen zu schätzen wissen“, sagt Paß.
Der deutsche Pass hat ganz praktische Vorteile
Erdogmus steht exemplarisch für diese Einstellung. Jeder vierte Essener Neu-Deutsche stammt nach Angaben der Stadt aus der Türkei. So wie Erdogmus: Die junge Frau wurde als Tochter türkischer Migranten in Düsseldorf geboren, seit ihrer Hochzeit 2004 lebt sie in Bochold.
Voraussetzungen für die Einbürgerung
Kandidaten müssen mindestens acht Jahre in Deutschland leben und ausreichende Sprachkenntnisse nachweisen. Zudem müssen sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten.
Kosten: 255 Euro, für Kinder 51 Euro. Die meisten der 2013 eingebürgerten Essener stammen aus der Türkei, aus Irak oder Polen, des Weiteren aus der Ukraine, Afghanistan und Iran.
„Ich fühle mich als Deutsche und als Türkin“, sagt Erdogmus, während sie an einem Stehtisch lehnt und auf den beleuchteten Kennedyplatz mit seiner Eislaufbahn blickt. Zwar habe ein deutscher Pass auch ganz praktische Vorteile, das räumt sie offen ein: „Als Ausländerin ist jeder Behördengang einfach mit sehr viel Papierkram verbunden.“
„Das hat mich gestört“
Doch die Ehrung durch das Stadtoberhaupt bedeutet ihr auch emotional etwas – sie gehört jetzt dazu, so empfindet sie das. Oft habe sie erlebt, wie Menschen mit ihr sprachen wie mit einem Kind, wie Gesprächspartner jede Silbe betonten, als sei sie schwer von Begriff. „Das lag sicher auch daran, dass ich ein Kopftuch trage. Aber es hat mich früher gestört.“ Dabei spricht die gebürtige Rheinländerin Hochdeutsch ohne jeden Akzent.
Die meisten Eingebürgerten sind übrigens junge Leute, mehr als 80 Prozent sind unter 40. Jacqueline Hellmann etwa, eine 34-jährige Kenianerin. Seit zehn Jahren wohnt sie in Katernberg. Auch sie wollte die deutsche Staatsangehörigkeit, denn in ihrer Familie war sie Außenseiterin: Der Mann und die drei Kinder sind schließlich Deutsche von Geburt an, „nur ich war’s nicht“. Die Einbürgerung war für Hellmann ein schöner Moment. Viel mehr als eine symbolische Bedeutung möchte sie ihrem neuen Pass aber nicht beimessen: „Ich weiß, dass ich wegen meiner Hautfarbe weiterhin auffalle.“