Essen. . Neubau-Befürworter sehen den Weggang der Leitmesse “Reifen“ als Reaktion auf das Ergebnis des Bürgerentscheids. Dagegen sagt der Bundesverband des Reifenhandels, ein anderes Ergebnis hätte daran nichts ändern können. Der Essener Messe-Chef widerspricht.
Nicht einmal 48 Stunden, nachdem eine knappe Mehrheit in der Bürgerschaft den 123 Millionen Euro teuren Teilneubau des Messe-Geländes gekippt hat, sehen sich die Befürworter in ihren mahnenden Appellen eindrucksvoll bestätigt: Die Fachmesse „Reifen“, seit mehr als 50 Jahren in Essen ansässig, rollt nach Auslaufen des bis 2016 laufenden Vertrags gen Köln.
„Grüne und Linke bauen die ersten Arbeitsplätze ab“, meldete wütend der Vorsitzende der FDP-Ratsfraktion Hans-Peter Schöneweiß. Dabei ergaben am Montag NRZ-Recherchen: Der Wechsel der „Reifen“-Messe an den Rhein war bereits unabhängig vom Ausgang des Bürgervotums beschlossene Sache. „Seit Monaten schon“ hatte der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. als ideeller Träger der Essener Weltmesse rund um Pneus und Profile mit der Koelnmesse verhandelt“, bestätigt deren Kommunikations-Chef Guido Gudat.
Verband wollte Bürgerentscheid nicht beeinflussen
Und nein, ein anderer Ausgang hätte an dem Schritt nichts mehr ändern können, erfuhr die NRZ aus dem Verband, in dem 1.950 Hauptbetriebe des Reifenfachhandels sowie 3.800 Outlets organisiert sind. Peter Hülzer, der geschäftsführende Vorstand, räumt ein: „Wir haben die Information absichtlich bis zum Bürgerentscheid zurückgehalten, um die politische Entscheidung nicht zu beeinflussen.“
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Denn die „Reifen“ habe dem Messe-Standort Essen viel zu verdanken: Hier wuchs die Ausstellung, die im Mai 2014 und dann noch einmal 2016 an der Norbertstraße stattfinden soll, zu einer Weltmesse heran, deren Deckungsbeitrag sich mittlerweile auf immerhin 3,8 Millionen Euro beläuft.
Damit liegt die „Reifen“, die zuletzt eine Messefläche von 60.000 Quadratmeter nutzte und 19.000 Fachbesucher aus aller Welt anzog, auf Platz fünf der lukrativsten Essener Messen – hinter „Schweißen & Schneiden“ und „Security“, „IPM“ und „SHK“.
Essener Messe-Chef widerspricht
Essens neuer Messechef Oliver P. Kuhrt widerspricht: „Was da beginnt, sind die Konsequenzen aus dem Entscheid. Man kann sich das nicht schönreden.“ Sondern will jetzt das Beste daraus machen: Im Messe-Aufsichtsrat wurde der alte Baubeschluss vom Juli 2013 gestern aufgehoben.
Nun soll rechtlich geklärt werden, welchen baulichen Kompromiss es vor dem Hintergrund des erfolgreichen Bürgerentscheids geben könnte. Zeitgleich will OB Paß die Chefs der Ratsfraktionen „schnellstmöglich“ an einen Tisch bitten, um die Chance für Kompromisse auszuloten.
Damit wäre die Einschaltung eines neutralen Mittlers, so wie sie gestern bereits am Rande der turnusmäßigen Sitzung des Verwaltungsvorstands erörtert wurde, vom Tisch. Und nicht zuletzt: Auch die Öffentlichkeit soll eingebunden werden, hieß es gestern, und zwar in „angemessener“ Weise.