Essen. Die Messe Essen hat beim Bürgerentscheid die Quittung bekommen für den Autismus der letzten 10, 15 Jahre, für Kommunikationsfehler am laufenden Band. Oberbürgermeister Paß trägt die erste, die größte Verantwortung für das Messe-Desaster. Ein Kommentar.
Die Schlacht ist geschlagen, und das Ergebnis – den Sieg des Bürgerbegehrens „Messe-Umbau nicht um jeden Preis“ – hatten nicht viele auf der Rechnung. Was sollte schon schiefgehen, so sagten manche, wenn die großen Parteien, die Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Bürgervereine und der OB an einem Strang ziehen. Die „Stadtgesellschaft“ stehe zur Modernisierung der Messe Essen, meinte Reinhard Paß, aber die „Stadtgesellschaft“ und den ganz normalen Bürger darf man offenbar nicht verwechseln. Viele Essener, und das ist die harte Botschaft dieses Wahltags, haben kein Vertrauen zu denjenigen, die in dieser Stadt die Entscheidungen treffen.
Die Stadt ist gespalten – und das ist kein Nord-Süd-Problem
Dieser Befund würde übrigens nicht viel anders ausfallen, wenn es ähnlich knapp für die andere Seite ausgegangen wäre. Essen steckt in einer Vertrauenskrise, die Stadt ist gespalten, und das ist ausdrücklich diesmal kein Nord-Süd-Problem. Denn im wohlhabenderen Süden haben letztlich nur unwesentlich mehr Menschen für die Messe-Modernisierung gestimmt, für die die städtische Elite vehement und über viele Parteigrenzen hinweg gekämpft hat.
Für den OB ist die breite Koalition der Verlierer noch ein Glück im Unglück, weil zumindest die mit im Boot sitzende CDU daraus keinerlei Kapital schlagen kann. Dennoch trägt der erste Bürger natürlich auch die erste, die größte Verantwortung für das Desaster. Mit der Messe-Modernisierung wollte Paß sich endlich einen Erfolg ans Revers heften. Stattdessen muss er nun Fragen beantworten, ob dieses Ergebnis nicht nach persönlichen Konsequenzen verlangt.
Quittung für 10, 15 Jahre Autismus
Das ist der politische „Überbau“, aber es gibt natürlich auch eine Fülle von einzelnen Gründen, warum die Sache schief lief. Die Messe hat die harte Quittung bekommen für den Autismus der letzten 10, 15 Jahre, für Kommunikationsfehler am laufenden Band. Sie konnte nicht nachweisen, dass die Investition wirklich wirkt.
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Die Bürger haben außerdem nicht zusammen bekommen, dass die Stadt einerseits sparen muss, andererseits aber an dieser Stelle soviel investieren wollte. Sie sorgten sich wohl auch um die Aufgaben, die ihnen näher liegen, um Schulen, Kitas, Sportplätze, Straßen – die Kampagne der Umbau-Gegner traf hier einen Nerv. Generell haben es Wirtschaftsthemen wohl auch schwer bei einer direkten Abstimmung zu obsiegen.
Wie es nun weitergeht, ist völlig unklar. Einige Millionen Euro, die für die Ausarbeitung der Pläne bereits anfielen, sind verloren. Ob ein deutlich preiswerter „Plan B“ überhaupt etwas bringt oder die Messe trotzdem in ein Siechtum fällt, all das steht in den Sternen. Es beginnt nun das Zittern, ob die großen Leitmessen an Bord bleiben. Aber wie man es auch dreht und wendet: Die Bürger haben es so gewollt, das ist zu respektieren. Mit den Folgen gilt es dann allerdings auch zu leben.