Essen.. Die Frida-Levy-Gesamtschule ist die dritte Schule in Essen, die ihren gesamten Archivbestand an das Haus der Geschichte übergibt. Dort können die Materialien einem breiteren Publikum öffentlich gemacht werden. Die Frida-Levy-Gesamtschule startete vor fast 150 Jahren als „Oberrealschule“
Es ist nur ein dunkler, schlichter Stahl-Schrank, aber er hat es in sich. Akten, Broschüren, Dokumente der vergangenen Jahrzehnte; die Geschichte der Frida-Levy-Gesamtschule ist lang und wechselvoll. Nächstes Jahr wird sie 150 Jahre alt, wenn man alles zusammennimmt: Denn den Anfang machte sie als „Humboldt-Oberrealschule“ für Jungen, gegründet 1864 in einem rustikalen Bau aus Ruhrsandstein direkt neben der Alten Synagoge. Dort ist heute die Diskothek „Hotel Shanghai“. Am 5. März 1943 ging das Gebäude im Bombenhagel unter; der Neustart des Humboldt-Gymnasiums erfolgte 1954 am heutigen Standort; das Gebäude an der Varnhorststraße hinter der alten Volkshochschule wurde 1978 erheblich erweitert. 1994 verließen die letzten Gymnasiasten das Haus – denn 1986 war der erste Jahrgang der neuen „Gesamtschule Essen-Mitte“ eingezogen.
Im September 2001 erhielt die Schule den Namen „Frida Levy“ – Levy war eine jüdische Frauenrechtlerin, die lange an der Moltke-straße 28 wohnte und später, unter ungeklärten Umständen, 1942 im Ghetto Riga ums Leben kam.
„Nicht alle Archiv-Materialien von vor 1943 sind verbrannt, einiges ist erhalten geblieben“, sagt Lehrer Ludger Hülskemper-Niemann, der sich zuletzt um den Bestand gekümmert hat. Sein früherer Kollege Jörg Schütter hatte lange Zeit das Archiv gehütet.
Jetzt wandert der Bestand ins Haus der Geschichte. Nach dem Gymnasium Borbeck und dem Carl-Humann-Gymnasium ist die Frida-Levy-Gesamtschule die dritte Schule in Essen, die ihr Archiv in die Hände von Profis gibt. Der Vorteil: „Die Materialien sind jetzt für die Allgemeinheit nutzbar“, erklärt Klaus Wisotzky, der Leiter des Stadtarchivs. „Wir hoffen, dass das weitere Kreise zieht.“ Das Archiv ist stets bestrebt, nicht nur alte Akten der Stadtverwaltung zu horten.
Schul-Archive sind nicht nur für Ehemalige interessant. Sie erzählen viel vom vergangenen Zeitgeist. Dass es heutzutage immer noch vielerorts üblich ist, dass die Schulleiter dicke Schulchroniken fortschreiben, und zwar fein säuberlich mit Füllfederhalter, immer vor dem Beginn der Sommerferien – das sei dahingestellt. Nein, alte Schüler- oder Schulzeitungen, Zeitungsausschnitte oder Protokolle von Sitzungen stellen auch für allgemein interessierte Laien einen wertvollen Schatz dar, den zu erforschen sich lohnt. Kostprobe Frida Levy: Nachdem Essen und die „Humboldt-Oberrealschule“ ausgebombt waren, zogen Schüler um nach Österreich, Stichwort Kinderlandverschickung. Nicht wenige hatten Vater und Mutter verloren. In der Lehrerkonferenz wird schriftlich festgehalten: Die Pädagogen sind dazu angehalten, „keine deprimierende Haltung in den Klassen aufkommen zu lassen.“ Notiert im Februar 1945.